Umfangreiches Update zu den Sterbezahlen

Vorbemerkung

Bis heute gibt es noch keine Todesursachenstatistik der Statistik Austria. Die wird sicher „spannend“, weil ja gleichzeitig auch die von 2020 und 2021 geändert werden muss, da dort die Fälle, die seit 20. April 2022 nachträglich zu Covid-Todesfällen erklärt wurden, geändert werden müssen.

Was es schon gibt, sind die laufend aktualisierten Zahlen der Verstorbenen pro Kalenderwoche. Gestern und heute habe ich die aktuelle Version, sie reicht bis KW 29 des Jahres, also bis 24, Juli 2022, neu aufbereitet. Dabei habe ich auch die „neuen“ Covid-Zahlen mit der Umetikettierung eingebaut.

Natürlich sind alle Zahlen auf Sterbefälle pro 100.000 EinwohnerInnen berechnet, damit sie vergleichbar sind. Ich habe alle Jahre von 2000 bis 2022 erfasst – weiter zurück reicht die Datenbasis der Statistik Austria nicht. Die Daten sind in zwei Altersgruppen unterteilt: Die Menschen bis 64 Jahre und die Menschen ab 65 Jahren.
Das heißt, es ist pro Jahr jeweils so berechnet, dass die Gesamtgröße der Altersgruppe die Basis der Werte darstellt. Wenn also (fiktiv) die Zahl der Menschen ab 65 seit 2010 um 10% gestiegen ist, dann wird das durch den Wert „pro 100.000“ (im jeweils aktuellen Jahr) berücksichtigt.

Österreich

Die Wochenkurven

Was auf den ersten Blick wie ein wildes Durcheinander aussieht, macht durchaus Sinn, wenn wir wissen, worum es geht: Wir sehen hier die Sterbezahlen aus Österreich (pro 100.000 Menschen) für die letzten 23 Jahre und pro Kalenderwoche. Je heller das grau der Kurven, desto länger ist das Jahr her, je dunkler, desto jünger sind die Zahlenwerte. Die drei Pandemiejahre sind in pink (2022), dunkelrot (2021) und hellrot (2020) hervorgehoben. Die SCHWARZE gestrichelte Linie zeigt den 10-Jahres-Schnitt VOR Corona, also den Mittelwert der Jahre 2010 bis 2019.

Bei den Menschen bis 64 Jahren wird schnell klar, wenn wir die schwarze Linie betrachten, dass im Februar am meisten Menschen unter 65 Jahren sterben in Österreich, eher weniger sind es im Frühherbst und teilweise auch im Sommer. Die Woche mit den meisten Todesfällen seit Jänner 2000 in dieser Altersgruppe gab es im Jahr 2000 in der KW 45, als 5,74 Menschen von 100.000 innerhalb einer Woche verstarben. Auch der zweithöchste Wert stammt aus dem gleichen Jahr, allerdings von Ende Jänner. Sonst gab es nie eine Woche, in der mehr als 5 von 100.000 starben – das entspricht 0,005% innerhalb einer Woche.
Bei den roten „Corona-Jahren“ ist nur eine Woche – die KW 48 im Jahr 2021 – die, in der es die meisten Todesfälle in dieser Kalenderwoche gab. Mit 4,31 Toten pro 100.000 EW liegt sie jedoch weit unter den Spitzenwerten der Wochenzahlen. Ebenfalls auffallend ist, dass die Kurven von 2020 und 2021 am ehesten im Herbst über dem Schnitt liegen, sonst jedoch nur punktuell.

Sehen wir uns das Ganze für die Menschen AB 65 JAHREN an, fallen gleich mehrere Sachen auf: Erstens sterben eindeutig im ersten Viertel des Jahres am meisten Menschen (schwarze Kurve). Die Zahlen sinken dann ab, im Hochsommer gibt es etwas höhere Werte (Stichwort Hitzewellen), der Tiefststand liegt im September/Anfang Oktober, bevor die Zahlen wieder ansteigen – und das schon seit 2000 (und wahrscheinlich auch in 2.000 Jahren davor).
Im Gegensatz zu den Menschen unter 65 Jahren sind hier durchaus rote Kurven, die oben zu sehen sind. Vor allem die Herbstwelle 2020 mit 133,5 Todesfällen pro 100.000 Menschen ist sehr auffallend. Den höchsten Wert gibt es jedoch aus dem Jänner 2000! Wenn wir nur den Herbst alleine betrachten, ist auch das Jahr 2021 sehr auffallend (dunkelrote Kurve), allerdings gab es da Am Ende des Jahres 2016 und am Anfang des Jahres 2017 eine DEUTLICH höhere Kurve bei der damaligen Grippewelle (die jedoch durch die Verteilung auf zwei Jahre etwas untergeht). Auch in den Jahren 2002, 2003, 2005 und 2009 gab es Werte knapp unter bzw. über 110 Todesfälle pro 100.000 EW. Im Jahr 2002 war dies in KW 25 wohl eher eine frühe Hitzewelle – auch im Jahr 2007 gab es in KW 29 viele Todesfälle. Und 2022 ist die letzte eingetragene Woche (KW 29) ebenfalls „auffällig“, aber noch nicht außerhalb des Rahmens vergangener Jahre.

Die kumulative Sterblichkeit

Ganz anders sieht das Ganze aus, wenn wir nicht die einzelnen Wochen darstellen, sondern die Entwicklung der Todeszahlen insgesamt. Natürlich steigen die Kurven alle ähnlich stark an, es gibt aber doch deutliche Unterschiede zwischen den Jahren zu sehen. Die Farbgebung ist wie oben bei den Wochenkurven – je heller das Grau, desto länger ist das Jahr schon her.

Bei den Menschen von 0 bis 64 Jahren ist gut erkennbar, dass die „hellen“ Jahre die mit den höchsten Zahlen sind – das heißt, dass am Anfang des Jahrtausends deutlich mehr Menschen pro 100.000 EW aus dieser Altersgruppe verstarben als in den letzten Jahren vor der Pandemie. So starben im Jahr 2003 fast 219 von 100.000 Menschen unter 65 Jahren – der niedrigste Wert stammt aus dem Jahr 2019 und ist mit 164 um mehr als 25% niedriger!
Wenn wir jedoch die roten Kurven der letzten drei Kalenderjahre mit dem 10-Jahres-Schnitt der 10 Jahre vor der Pandemie vergleichen, wird schnell klar: Die Jahre liegen absolut im Schnitt! Nur 2021 lag knapp über dem 10-Jahres-Schnitt.

Ähnlich sehen auch die Linien für die Menschen ab 65 Jahren aus – allerdings fallen hier die roten Kurven dadurch auf, dass sie jeweils im Herbst stark ansteigen und sich vom Schnitt lösen. Trotzdem liegen sie in etwa in der Mitte zwischen den Spitzenwerten aus den Jahren 2000, 2003 und 2002 und dem 10-Jahres-Schnitt. Auffallend ist auch das Jahr 2022, das die in den letzten Wochen vom Schnitt weg nach oben bewegt.

Die Pandemiejahre 2020-2022

Ganz andere Kurven sehen wir hier: Das sind die „Pandemiejahre“ 2020, 2021 und 2022. Die rote Linie stellt den Schnitt der letzten 10 Jahre (2010 bis 2019) dar. Die Kurven zeigen die Abweichungen im jeweiligen Jahr – und die gestrichelte Linie die Abweichung, wenn die offiziellen Todesfälle an oder wegen Covid herausgerechnet werden. Dass es irgendwie absurd ist, dass hier auch viele Fälle enthalten sind, die nicht AN sondern MIT Covid verstorben sind, ist wohl jedem klar.

2020

Bei den Menschen unter 65 Jahren sehen wir Schwankungen, die wohl in jedem Jahr zu beobachten sind. Wenn wir die Skala links betrachten, sehen wir, dass es sich nie um mehr als ein Plus oder Minus von mehr als EINER Person pro 100.000 Menschen handelt. Bei Höchstwerten von fast 6 Personen pro 100.000 entspricht das in etwa einem Plus oder Minus von 17%.
Was auffällt, ist, dass in der Herbstwelle ohne die Covid zugeordneten Todesfälle fast immer eine unterdurchschnittliche Sterblichkeit vorhanden gewesen wäre.

Bei den Menschen ab 65 sieht das viel extremer aus: Gab es zuerst zweieinhalb sehr unterdurchschnittliche Monate (10 Fälle weniger entsprechen in etwa 8% weniger), so stieg die Zahl dann kurz auf etwa das gleich im Plusbereich. Ab der KW 42 gehen die Zahlen dann EXTREM auseinander. Einerseits sind die Wochenwerte um fast 50% höher als normalerweise und andererseits wären sie nach Abzug aller Todesfälle an oder mit Covid kaum auffällig und am Schluss sogar stark unterdurchschnittlich!

2021

2021 beginnt bei den Menschen bis 64 Jahren unterdurchschnittlich, ohne die offiziellen C19-Todesfälle sogar deutlich. Dann steigen die Zahlen mit Ausnahme der KW 20 deutlich an und bleiben bis auf wenige Ausnahmen über dem Schnitt bis zum Jahresende. Erst ab KW 34 gibt es auch wieder Unterschiede durch die offiziellen C19-Todesfälle, ohne die das letzte Drittel des Jahres fast unterdurchschnittlich gewesen wäre.

Bei den Menschen ab 65 Jahren wären die Zahlen bis KW 20 DURCHGEHEND unter dem Schnitt ohne die offiziellen C19-Toten. Selbst mit diesen liegen sie zeitweise bis zu 30% unter dem Schnitt. Wie bei den Menschen unter 65 ist die KW 31 sehr niedrig, bevor die Zahlen dann wieder über den Schnitt steigen. Im Gegensatz zu den jüngeren Menschen bleiben die Werte jedoch auch ohne die offiziellen C19-Todesfälle überm Schnitt die meiste Zeit. Auch ist die Abweichung deutlich niedriger als noch im Vorjahr.

2022

Im noch laufenden Jahr 2022 sehen wir, dass es nur sehr geringe (unter 1 Fall pro 100.000) Abweichungen nach oben gab bei den Menschen unter 65 Jahren. Seit der KW 22 (Anfang Juni) liegen die Zahlen mit Ausnahme einer Woche immer über dem Schnitt und das auch ohne die Covid-Toten.

Bei den Menschen ab 65 beginnt das Jahr mit einer klar unterdurchschnittlichen Sterblichkeit. Ohne die offiziellen Covid-Todesfälle bleibt das bis zur KW12 so – dort gab es den absoluten Höchststand bei den positiven Tests in Österreich. Verglichen mit den zwei Jahren davor ist die Abweichung von 15 pro 100.000 vom Schnitt durchaus auffällig zum Höhepunkt der Omikronwelle. Ebenfalls auffällig: Der Anstieg in der letzten verfügbaren Woche und die augenscheinliche Differenz zu der Kurve OHNE die offiziellen Covid-Todesfälle, welchen es in den letzten beiden Sommern nicht gab.

Überblick – kumulativ

Wie vorher hier nun die Kurven nicht pro einzelner Woche, sondern kumulativ. Das heißt wir sehen, die sich eine über- oder unterdurchschnittliche Sterblichkeit in den Jahren entwickelt hat. Wieder mit den Gesamtzahlen und (gestrichelt) die Zahlen ohne die offiziellen Todesfälle nach einem positiven Test auf Covid (oder einer Zuordnung ohne positiven Test, was ebenfalls möglich ist).

Bei den Menschen unter 65 sehen wir, dass es vor allem 2021 seit der KW 15 eine deutlich überdurchschnittliche Sterblichkeit gab – wenn wir die Zahlen jedoch OHNE die C19-Toten anschauen, dann gab es durchgehend zu wenig Todesfälle verglichen mit dem 10-Jahres-Schnitt (rote Linie).
2020 lag ziemlich im Mittel bis auf die letzten 12 Wochen – auch hier ist die Zahl ohne die offiziellen C19-Todesfälle unter dem Schnitt.
Und im laufenden Jahr 2022 liegen die Gesamtzahlen derzeit deutlich über dem Schnitt, wieder ist es so, dass sie ohne die Covid-Todesfälle deutlich darunter liegen würde.

Bei den Menschen über 65 sind die Kurven von 2020 und 2021 bis zur KW 40 durchaus im Mittel – danach steigen sie extrem an. OHNE die Covid-Toten wäre das Jahr 2021 wohl eines der mit den niedrigsten Todeszahlen in der Geschichte der zweiten Republik geworden. Ein Minus von 220 Fällen pro 100.000 EinwohnerInnen zum Schnitt entspricht in etwa 5% weniger Todesfällen aufs Jahr betrachtet.
Im laufenden Jahr 2022 fällt mir auf, dass die Todeszahlen seit der KW 13, also NACH dem Höhepunkt der Omikronwelle, sowohl für die Gesamtzahl als auch für die Fälle ohne Covid-Status ansteigen. Derzeit liegt die Gesamtzahl der Verstorbenen auf jeden Fall klar über dem Schnitt und auch über den Werten von 2020 und 2021.

FAZIT

Wenn wir jetzt wüssten, wie viele der Todesfälle, die Covid zugeordnet wurden, wirklich von Covid verursacht wurden, wären diese Zahlen weitaus aussagekräftiger. Wissen wir aber nicht – daher schaue ich mir andere Kurven lieber an als die letzten mit den herausgerechnet offiziellen (und vor allem auch 500 Tage im Nachhinein noch korrigierten!) Werten.

Fakt ist, dass es im laufenden Jahrtausend viele Jahre gab, in denen es INSGESAMT mehr Todesfälle pro 100.000 Einwohnern gab und auch die einzelnen Wochenwerte in vielen Jahren höher lagen als zuletzt während der Covid-Wellen. Dies gilt vor allem für die Menschen unter 65 Jahren.

Wirklich erkennbar sind vor allem die Covid-Wellen im Herbst der Jahre 2020 und 2021. Aber auch die Grippewelle am Jahreswechsel 2016/2017 war hier vergleichbar hoch. Die Omikronwelle 2022 ist bei den Menschen unter 65 Jahren gar nicht zu sehen, sehr wohl aber bei den Menschen ab 65 Jahren – wobei sich hier die gleiche Frage stellt wie bei den Krankenhauszahlen: Wer ist WEGEN und wer MIT Covid verstorben.

Was die verschiedenen Höchst-Stände in den frühen Jahren dieses Jahrtausends betrifft, bei denen die Wochenwerte oft deutlich über denen der Covid-Pandemie lagen, so weiß ich die Ursachen dafür nicht. Ich tippe jedoch auf Grippewellen und Kälteperioden.

Ich habe parallel auch die Zahlen zu den einzelnen Bundesländern erstellt – diese Grafiken würden den Post aber sprengen in ihrem Umfang – ich werde sie ein anderes Mal zeigen!