Österreichs Sterbezahlen 2002 bis 2022 – Teil 1

Vorbemerkung

Ich kann NICHT sagen, woran jemand verstorben ist. Das hat mehrere Gründe: Es gibt zwar Todesursachenstatistiken, aber diese sind nicht direkt mit den Sterbezahlen, die ich hier verwendet habe, verknüpft. Das heißt, sogar WENN ich wüsste, welche Menschen in welcher Altersgruppe woran verstorben sind, könnte ich sie zeitlich nicht genauer zuordnen und mit Sicherheit sagen, welche Todesursachen vorrangig waren beim Sterbegeschehen einer bestimmten Zeitphase. Außerdem gibt es noch KEINE Todesursachenstatistik zum Jahr 2022 – die folgt erst im Sommer 2023.

Die Zahlen, die ich hier darstelle sind „nur“ die reinen Sterbezahlen Österreichs seit 2002. Allerdings stelle ich hier keine absoluten Zahlen dar, sondern berücksichtige die Bevölkerungsentwicklung in den jeweils dargestellten Gruppen.

Männer und Frauen

Diese Grafik zeigt, wie viel Prozent der Männer (blau) bzw. Frauen (orange) in den einzelnen Jahren verstarben. Die gepunktete Linie zeigt den Trend aus den letzten 3 Jahren an. Der gelbe Hintergrund zeigt die Zeit an, seit der wir uns (in Österreich immer noch bis 30. Juni 2023) in der Pandemiephase befinden.

Was ich interessant finde:

  • Bis 2020 starben prozentuell immer mehr Frauen als Männer. Das hat sicher damit zu tun, dass es deutlich mehr Frauen in den Altersgruppen über 75 Jahren gibt. Seit dem Pandemiebeginn hat sich das geändert. Interessanterweise findet sich das in KEINER einzelnen Altersgruppe wieder, wenn wir die 25-Jahres-Gruppen betrachten – dann liegen die Männer IMMER vor den Frauen – auch in der Vergangenheit!
  • Es gab immer wieder Jahre mit hohem Sterbegeschehen: 2003, 2009, 2012 und vor allem 2015 fallen auf bei den Frauen. Bei den Männern ist es ähnlich, allerdings ist hier statt 2012 eher 2013 auffällig. Auch bei 2017/2018 unterscheiden sich die Kurven der Männer und Frauen.
  • Was es seit 2002 noch NIE gab, waren DREI hintereinander folgende Jahre mit hohem Sterbegeschehen. Die letzten drei Jahre lagen jedoch alle sehr hoch. auffallend ist auch, dass 2022 wieder ganz nahe am Spitzenwert von 2020 liegt.

Die groben Altersgruppen

Schauen wir uns die 25-Jahres-Altersgruppen genauer an:

Bei den Menschen unter 25 Jahren ist klar zu erkennen, dass die Zahlen rückläufig sind seit 2002. Bei den Frauen ist das allerdings nur bis 2018 der Fall, seither steigen die Zahlen eher an und liegen 2022 wieder auf dem Niveau von 2013.

Bei den 25-49 Jahre alten Personen ist es ähnlich, allerdings sind hier die Zahlen bei den Männern 2021 und 2022 angestiegen. Sie liegen aber weit unter dem Niveau von vor 2012.

Bei den Menschen im Alter von 50-74 Jahren gibt es bei den Frauen keine Auffälligkeiten. Bei den Männern sinken die Zahlen bis 2019, danach gibt es einen Anstieg über zwei Jahre hinweg. Die Zahlen von 2021 entsprechen in etwa denen von 2014.

In der Altersgruppe „ab 75 Jahren“ versterben ALLE Menschen irgendwann – ganz einfach, weil es darüber keine Altersgruppen mehr gibt. Waren es 2002 noch fast 9,5% aller Männer und mehr als 7,5% aller Frauen, die in einem Jahr verstarben, so sanken diese Werte bis 2019 auf unter 7,5% (♂) bzw. fast 6,5% (♀). Seitdem sind die Zahlen wieder auf das Niveau von etwa 2010 gestiegen.

Wenn wir zuletzt noch dir Gruppe der Menschen unter 65 Jahren betrachten, sehen wir, dass 2022 etwa 0,12% – das ist eine von 830 Frauen verstirbt. Bei den Männern sind es mit fast 0,22% nicht ganz doppelt so viele – einer von etwa 450 Männern unter 65 Jahren verstarb 2022.

Mehr oder weniger als erwartet?

Ich stelle ab hier dar, ob es zu Abweichungen von den zu erwartenden Sterbezahlen kam und wie groß diese sind. Dazu habe ich den prozentuellen Anteil an Todesfällen berechnet und daraus einen 5-Jahres-Schnitt berechnet. Da die Zahlen der Altersgruppen erst ab 2002 vorliegen, liegt für die Jahre 2004 bis 2006 der 2-, 3- bzw. 4-Jahresschnitt als Ausgangswert vor. Damit ist sowohl die nähere vergangenheit in Sachen Sterbezahlen berücksichtigt, als auch die Veränderungen der Zahlen innerhalb der einzelnen Altersgruppen.

Wenn wir die GESAMTBEVÖLKERUNG als Basis nehmen, fällt folgendes auf:

  • Im Jahr 2010 gab es praktisch keine Abweichung.
  • Die größte Abweichung nach „unten“ stammt aus dem Jahr 2006 – 3,84% weniger als im Schnitt der 4 Jahre davor verstarben damals.
  • Vor 2020 fällt vor allem 2015 auf mit mehr als 6% Verstorbenen mehr als zu erwarten gewesen wären. Dafür verantwortlich waren (siehe unten) vor allem hohe Sterbezahlen bei den Menschen ab 95 Jahren.
  • Die höchste Abweichung aller Jahre gab es 2020 mit einem Plus von mehr als 10% bei den Todesfällen. Was ebenfalls auffällt, ist, dass es davor vier Jahre mit sehr geringen Abweichungen gab.
  • Auch 2021 und 2022 liegen im „roten Bereich“ ganz vorne, etwa gleichauf mit 2015. Dabei muss bedacht werden, dass bei beiden die vorangegangenen Pandemiejahre ebenfalls in den zu erwartenden Todesfällen abgebildet sind!

Das sind die Zahlen zu den männlichen Personen in Österreich: Die Werte sind ähnlich, allerdings liegen die Abweichungen generell weiter „oben“, das heißt es gab eher mehr Sterbefälle als zu erwarten gewesen wären. Die drei Jahre seit 2020 sind die drei mit den höchsten Abweichungen nach oben.

Bei den Frauen sind – wie zu erwarten nach den Zahlen der Männer – die Abweichungen deutlich „positiver“: Die Jahre mit weniger Verstorbenen zeigen eine höhere Differenz nach unten auf, die Jahre mit mehr Sterbegeschehen weniger hohe Werte. Allerdings fällt auf, dass die Abweichung 2022 HÖHER war als 2021.

Die groben Altersgruppen

Das nenne ich eine „erfreuliche Grafik“: Bei den Menschen unter 25 Jahren zeigt sich – mit Ausnahme des Jahres 2004, in dem wir nur zwei Jahre als Vergleichswert heranziehen können – dass die Zahlen durchgehend unter den zu erwartenden Zahlen liegen bei den männlichen Personen. Es war zwar 2019 und 2021 „knapp“, aber auch da blieben die Werte unterdurchschnittlich.

Leider ganz anders sieht es bei den weiblichen Sterbefällen aus in dieser Altersgruppe: Bereits 2020 gab es mehr Todesfälle als zu erwarten, vor allem jedoch 2022 sticht mit fast 13% mehr Verstorbenen als im Schnitt der 5 Jahre davor heraus. In beiden Fällen kann Covid als Grund ausgeschlossen werden in dieser Altersgruppe.

Wer sich nach den Werten der männlichen Personen unter 25 Jahren ein ähnliches Ergebnis bei den 25-49-Jährigen erhofft hat, den muss ich enttäuschen: In dieser Altersgrupp gab es zwar bis zum Jahr 2020 – dem mit den meisten Covid-Todesfällen in Österreich – durchgehend Zahlen unter dem Schnitt der 5 Jahre davor, allerdings gab es vor allem 2021 aber auch 2022 deutlich erhöhten Zahlen.

Dafür sieht es bei den Frauen in diesem Alter wieder besser aus: Es gab zwar auch hier 2020 und 2022 leicht höhere Werte als zu erwarten gewesen wären, sie liegen aber unter 2%.

Die Männer im Alter von 50 bis 74 Jahren: Bis zum Jahr 2019 gab es seit 2002 immer Zahlen, die niedriger lagen, als es zu erwarten gewesen wäre aufgrund des 5-Jahres-Schnitts davor. Im ersten Pandemiejahr gab es dann eine Abweichung nach oben um etwa 2%, danach im Jahr 2021 dann eine starke Abweichung von +7,5%. Auch 2022 liegt mit 4% mehr Todesfällen deutlich im roten Bereich.

Bei den Frauen im gleichen Alter sieht es von den Werten her besser auch, allerdings gab es hier 2021 und 2022 mehr als 2% mehr Todesfälle als im zu erwartenden Schnitt.

Mit Ausnahme des Jahres 2015 gab es bei den Männern ab 75 Jahren von 2002 bis 2019 immer weniger Todesfälle, als es dieBevölkerungsentwicklung und der 5-Jahres-Schnitt erwarten hätten lassen. 2020 zeigt dann mehr als 9% Tote mehr, aber auch 2021 und 2022 weisen ein Plus von mehr als 5% auf.

Bei den Frauen gab es vor 2016 bereits 4 Jahre mit einem Plus an Todesfällen. Dann folgten 4 Jahre mit deutlich weniger Verstorbenen. 2020 weist ein Plus von fast 5% aus, und nach einem „Rückgang“ auf etwa 2% mehr an Todesfällen für 2021 stieg dieser Wert 2022 wieder auf fast 5% an.

Auch hier wieder ein Blick auf die Todesfälle der Menschen unter 65 Jahren. Nach 16 Jahren, in denen bei den Männern die Zahlen immer niedriger lagen als es zu erwarten gewesen wäre, folgte bereits 2020 ein Anstieg auf 5% MEHR an Verstorbenen. 2021 waren es mit einem Plus von 10% noch einmal deutlich mehr. Auch 2022 – wo die Erwartungen durch die zwei Jahre zuvor schon höher liegen – hat wieder mehr als 3,5% Todesfälle mehr aufzuweisen.

Wir wissen schon, dass es bei den Frauen generell „bessere“ Zahlen gibt. Das Jahr 2011 mit einem minimalen Plus verhindert, dass es auch hier 16 Jahre lang besser war als zu erwarten. Was hier irritierend ist, sind die jedes Jahr ansteigenden Werte seit 2020 – das heißt, dass nicht 2020 oder 2021 die „schlechtesten“ Jahre waren bei den Frauen unter 65, sondern das vergangene Jahr 2022!

Blicken wir abschließend noch auf die einzigen Altersgruppen ab 75 Jahren, in denen 2020 NICHT das schlechteste Jahr war, wenn es um ein Zuviel an Todesfällen im Vergleich mit dem Schnitt der fünf Jahre davor geht:

Die 75-79 Jahre alten Personen

Bei den Männern gab es 2015 minimal mehr Tote in diesem Alter, als der Schnitt und die Gruppengröße es vermuten lassen hätten. Sonst war es bis 2019 immer so, dass die Sterbefälle unterdurchschnittlich waren. Dann jedoch stiegen die Zahlen fast um 7% an im Jahr 2020. Allerdings steigen sie seither durchgehend weiter an – und das trotz der Tatsache, dass 2022 schon die beiden „schlechten“ Jahre 2020 und 2021 in die Berechnung mit einfließen!

Bei den Frauen gab es bis 2019 immer „positive Nachrichten“ bei der Anzahl der Todesfälle in dieser Altersgruppe. 2020 waren es dann 8,5% mehr, auch 2021 lag mit +6,5% über dem Schnitt. Am stärksten abgewichen sind die Zahlen allerdings 2022 mit über 11% mehr! Und wieder sind hier die beiden Jahre davor mit den hohen Abweichungen nach oben schon mit berücksichtigt!

Die Allerältesten unter uns, die Menschen ab 95 Jahren, waren zwar während der Pandemie oft einsam und es starben auch mehr als erwartet, allerdings gab es hier ein anderes Jahr, in dem die Sterbezahlen deutlich höher waren: 2015 liegt mit fast 12% mehr Todesfällen bei den Männern deutlich an der (negativen) Spitze. Am anderen Ende der Skala finden wir 2011, wo es fast 10% WENIGER Todesfälle gab als zu erwarten.

Bei den Frauen, die mindestens 95 Jahre alt wurden, sieht es ähnlich aus: Fast 12% mehr Todesfälle 2015 und gut 7% weniger 2011 sind die Spitzenwerte.
Ebenfalls auffallend: Von den letzten drei Jahren waren bei beiden Geschlechteren die Zahlen im Jahr 2022 SCHLECHTER als die von 2020!

FAZIT

Wer mich kennt weiß, dass ich Zahlen nicht mit einer bestimmten Erwartungshaltung in Sachen Ergebnis aufbereite. Darum bin ich immer wieder überrascht über das, was ich finde – auch heute!

Dass zum Beispiel die Sterbezahlen bei den weiblichen Personen unter 25 Jahren 2022 so schlecht sind, beunruhigt mich. Natürlich stehen hier hinter den prozentuellen Abweichungen deutlich weniger Verstorbene als bei den Ältesten, trotzdem sollte hier genau untersucht werden, woran das lag/liegt.

Mindestens gleich überrascht war ich, dass bei den allerältesten Menschen, nämlich jenen die mindestens 95 Jahre alt sind, keines der letzten drei Jahre am „schlimmsten“ war, sondern das Jahr 2015. Damals habe ich keine Schlagzeilen zu diesem Sterbegeschehen wahrgenommen.
Und genauso unerwartet war für mich die Tatsache, dass das Jahr 2022 in sehr vielen Altersgruppen deutlich schlechter war als 2021, oft sogar als 2020. Wenn wir die Bevölkerung in 25-Jahres-Gruppen einteilen, ist nur bei den Menschen ab 75 Jahren das Jahr 2020 das schlechteste der letzten drei Jahre. Bei den anderen sechs Gruppen war es vier Mal 2021 und zwei Mal 2022.