Machen viele Tests viele Fälle?

Vorwort

Eigentlich wollte ich wieder etwas ganz anderes untersuchen, als das, was schlussendlich dabei entstanden ist. Es ging mir darum, einmal nachzuschauen, wie viel Prozent der gemachten Tests denn positiv sind/waren in der Pandemie. Was schlussendlich heraus gekommen ist, ist ein weiterer Krimi in meinen Augen. Ich versuche euch an dem „Werdegang“ des Entdeckten teilhaben zu lassen, damit es besser verständlich wird…

Quellen sind die Zahlen der AGES und des BAG (das ist in etwa das schweizerische Pendant zur AGES).

Die Inzidenzen

Vorneweg zur „Einstimmung“ die Kurven, die uns seit mehr als zwei Jahren begleiten – die 7-Tages-Inzidenzen. In dem Fall sind es für jede Woche ab dem 5. April 2020 ermittelte Durchschnittswerte für die Kalenderwochen. Leider fehlen mir nämlich vor dem 1. April 2020 die Daten zu den durchgeführten Tests…

Diese „Kurven“ kennen wir alle schon zur Genüge – Welle 1 im Frühjahr 2020 ist erstens weil sie sehr niedrig war kaum zu erkennen, und zweitens weil eben der gesamte März fehlt. Gut zu erkennen ist auch, dass die dritte Welle im Frühjahr 2021 deutlich schwächer war, die „Delta-Welle“ im Herbst 2021 und die doppelte Omikron-Welle.

Weil die Schweiz ganz am Schluss meines Krimis noch einmal vorkommt: Hier die österreichische Kurve mit den Zahlen der Schweiz dazu (die pinke Linie). Weil wir Vorarlberger so nahe an der Schweiz leben, habe ich das „Ländle“ beim Vergleich mit genommen.
Wir erkennen ähnliche Muster mit interessanten Unterschieden: Es gab eine VIEL schwächere Welle letzten Herbst/Frühwinter und auch der zweite „Spitz“ der Omikronwelle ist DEUTLICH schwächer.

Die Test-Zahlen: ein Chaos!

Weg von der Schweiz, zurück nach Österreich: Ihr erinnert euch: es ging mir um den Prozentanteil der positiven Tests unter allen Tests. Dazu brauche ich als erstes die Tests pro 100.000 EW und Kalenderwoche. Das sieht dann mit den österreichischen Zahlen so aus:

Wir erkennen viel Chaotisches: Nicht nur, dass es Wochen mit extremen Ausreißern nach oben gibt (etwa Vorarlberg in der KW 25 des Jahres 2021), es gibt auch Wochen mit MINUSWERTEN (zB Salzburg in der KW16/2021).

Wenn wir nun daraus einen Prozentanteil der positiven Tests errechnen, sieht das so aus:

Auch hier gibt es plötzlich negative Werte und extreme Ausreißer nach oben.

Korrektur

Ich bin daher hergegangen, und habe die extremsten Ausreißer händisch korrigiert. Wenn zB irgendwo eine Woche mit mehr als 100.000 Tests pro 100.000 EW aufgetaucht ist (was immer „Datenkorrekturen“ waren), habe ich mir angesehen, wie die Werte danach im Schnitt lagen und die Nachmeldungen auf die Wochen davor verteilt. Dasselbe in umgekehrter Version habe ich mit Wochen gemacht, wo es plötzlich -25.000 Tests pro 100.000 EW gab. Das wäre ja so, als würde bei Getesteten jemand an der Türe klingeln und den Test, der gemacht worden ist, zurückverlangen… 😉
Nach diesen Korrekturen sieht das ganze so aus:

Es gibt immer noch Schwankungen und große Unterschiede, diese sind nun aber kaum mehr auf einzelne Wochen beschränkt und es gibt auch keine Minuswerte mehr. Was hier gleich auffällt, sind die extremen Unterschiede zwischen den Bundesländern in den Wochen seit Jahresbeginn. Wien schaffte es hier, über Wochen hinweg mehr als 100.000 Tests pro 100.000 EW zu machen. Und auch NÖ hat DEUTLICH mehr Tests gemacht als alle anderen Bundesländer, denn sogar das Burgenland, das seit KW 3 der Spitzenreiter unter den anderen Bundesländern ist, liegt unter dem Österreich-Schnitt, der durch Wien und NÖ, die zwei Bundesländer mit den meisten EinwohnerInnen, stark angehoben wird.
Auch ein anderes Bundesland fällt hier schon auf seit September 2021: Kärnten (orange) hat offensichtlich eine andere Test-Strategie gefahren als der Rest Österreichs.

So sieht nach der Korrektur der Anteil der positiven Tests als Kurve aus. Ich habe diese hier von der Skalierung gleich gelassen wie oben, damit wir den Unterschied besser erkennen.

Wenn ich nun die Skalierung verändere (weil es ja keine Wochen mehr mit über 35% an positiven Tests gibt), sieht das so aus:

Und weil hier sehr viel auf einer Grafik zusammenkommt, wollte ich mir das einzeln anschauen bei den Bundesländern:

Die Bundesländer im Einzelnen

Machen wir also einen Blick auf die Zahlen im Einzelnen.

Tirol

Zuerst schauen wir uns Tirol an. Die Zahl der wöchentlichen Testungen pro 100.000 EW ist als Balken zu erkennen. Die rote Linie ist die Inzidenz pro Kalenderwoche.

Wir sehen: In Tirol gab es – wie in allen Bundesländern – einen starken Anstieg der Tests rund um den Jahreswechsel 2020-2021, als zusätzlich zu bis dahin gemachten PCR-Tests die Antigentest in Massen eingesetzt wurden. Wichtig: NIRGENDS in diesen Zahlen sind die Schultestungen enthalten (bei allen Bundesländern und auch Österreich), weil sie in den „offiziellen Zahlen“ nicht auftauchen!
Was sehr gut erkennbar ist, ist das Zurückfahren der Testanzahl – in Tirol seit der KW 5 im laufenden Jahr.

Kärnten

Noch extremer sieht das Ganze bei Kärnten aus:

Die Woche mit den meisten Testungen in Kärnten war laut offiziellen Zahlen die KW 29 im letzten Jahr – seitdem gehen die Zahlen kontinuierlich retour. Und das seltsame ist: Die Inzidenzen sind trotzdem sehr ähnlich wie die von Tirol, wo ab KW 40 deutlich mehr getestet wurde als davor.

Wien

Nirgends wird mehr getestet (wahrscheinlich weltweit) als in der Bundeshauptstadt. In 5 Wochen in diesem Jahr wurden mehr als 100.000 Tests pro 100.000 EW gemeldet. Was hier dazu gesagt werden muss: In Wien gibt es auf der anderen Seite viel weniger „Schultestungen“, weil nur die Antigentests aus den Schulen nicht in die Zahlen einfließen. Die Gurgeltests, die den SchülerInnen vorgeschrieben wurden im Rest von Österreich und die dort nicht in die offiziellen Zahlen einfließen (nur diejenigen, die positiv sind, werden bei den Inzidenzen mit erfasst), sind bei den Wienern in den „offiziellen“ Testzahlen mit dabei!

Es verwundert also nicht, dass hier deutlich höhere Säulen zu sehen sind, vor allem seit dem September 2021, wo an den Schulen mit PCR-Testungen angefangen wurde. Was fällt sonst noch auf? Dass die zweite und vierte Welle (jeweils im Herbst) weniger ausgeprägt war als in den meisten anderen Bundesländern und dass die zweite Spitze bei Omikron deutlich über der ersten liegt, was bei Tirol und Kärnten nicht so war.

Niederösterreich

In NÖ gibt es nach Wien eindeutig am zweitmeisten Tests, wenn die offiziellen Angaben stimmen. Das ist insofern verwunderlich, weil hier keine „Schul-Gurgel-Testungen“ diesen starken Unterschied zu den anderen Bundesländern erklären kann.

Es sind zwar keine Wochen mit mehr als 100.000 Tests pro 100.000 EW erkennbar, die Werte liegen jedoch WEIT über denen anderer Bundesländer. Was fällt noch auf? Die Omikronwelle ist vollkommen anders als überall sonst, weil sie KEINE erste Spitze hat. Und ähnlich wie in Wien sind die Welle zwei und die Welle vier kleiner, allerdings (wie auch in Wien) die dritte Welle höher als bei den anderen.

Burgenland

Das Burgenland hat am wenigsten Einwohner von allen Bundesländern. Das heißt, dass hier mit relativ wenigen Fällen mehr Einfluss auf die Inzidenzen entsteht.

Wir sehen, dass im Burgenland nach Jahreswechsel offensichtlich deutlich mehr getestet wurde als vorher. Allerdings ändert sich das schon in KW 3, von dort weg gehen die Zahlen bei den Testungen stark zurück. Ebenfalls auffallend: Die erste Omikronwelle ist – nicht ganz wie in NÖ, aber deutlich sichtbar – viel kleiner, die zweite hingegen deutlich höher als im Schnitt. Und auch hier ist wie in NÖ und Wien die zweite und vierte Welle niedriger und die dritte höher – ein regionales Phänomen im Osten des Landes?

Vorarlberg

Gehen wir daher ganz in den Westen nach Vorarlberg.

Hier gab es die meisten Testungen in der KW 18 des Vorjahres – also vor fast genau einem Jahr – damals wurde bei uns die „Modellregion Vorarlberg“ ausgerufen und getestet auf Teufel komm raus. Danach sanken die Testzahlen kontinuierlich, bevor sie zum Jahresbeginn noch einmal deutlich anstiegen – seit KW 5 gehen sie immer mehr zurück.
Die Inzidenz ist hier bei der zweiten und vierten Welle DEUTLICH höher als bei den Bundesländern im Osten. Auch der Spitz der ersten Omikronwelle ist stark ausgeprägt, und im Gegensatz zu Tirol ist auch der zweite Spitz höher als der erste.

Oberösterreich

In OÖ sehen wir interessanterweise eine ähnliche Kurve wie in Vorarlberg.

Die „Delta-Welle“ war hier besonders stark, auch die Herbstwelle im Jahr 2020. Bei den testungen gab es die höchsten Werte in den Wochen rund um KW 23 im Jahr 2021. Danach blieben die Zahlen recht konstant, bis auf einen „Ausreißer“ in der KW 45 (den habe ich nicht korrigiert) und den auch in Vorarlberg zu beobachtenden Anstieg mit Jahreswechsel.

Salzburg

Salzburg sieht etwas anders aus:

Erstens fällt nach der Herbstwelle 2020 eine Art „Nachwelle“ zum Jahreswechsel auf bei den Inzidenzen. Und zweitens gab es nirgends mehr Tests während der Delta-Welle (außer in Wien inklusive der Schultests, siehe oben). Seit KW 3 gehen die Testzahlen auch hier stark zurück. Die zweite Omikronwelle war weniger hoch als in vielen anderen Bundesländern.

Steiermark

Last but not least die Steiermark.

Die Inzidenzen am ehesten ähnlich wie im Burgenland, allerdings ist die erste Omikronwelle etwas stärker. Die Testungen hingegen gleichen eher denen in Vorarlberg – nach der KW 22 im Jahr 2021 gab es nie mehr höhere Zahlen und seit der KW 5 gehen die Zahlen im laufenden Jahr stark zurück.

Österreich

Wenn wir ganz Österreich betrachten, sieht das Ganze so aus:

Durch die größere Zahl an EinwohnerInnen, die hier zusammen dargestellt werden, gibt es weniger „Ausreißer“. Trotzdem gleicht die Kurve stark der aus der Steiermark – nur die vielen Tests aus Wien und NÖ erhöhen in den Wochen seit Schulbeginn 2021 die Testzahlen deutlich.

ERSTES FAZIT

Was haben nun alle diese Kurven gemeinsam? Im Grunde genommen fällt auf, dass die Zahl der Testungen offensichtlich viel weniger Einfluss auf die Inzidenzen hat, als zumindest ich persönlich es gedacht hätte.
Egal ob mehr als 100.000 Tests pro 100.000 EW wie in Wien gemacht wurden oder nur maximal 15.000 wie in Kärnten. Die Omikron-Welle war überall mindestens bei 3.000 und höchstens bei 4.000.
Kann es also sein, dass die Testungen gar nicht so entscheidend sind, wie viele glauben?

Die Schweiz

Holen wir uns die Zahlen der Schweiz her:

Wir sehen eine durchaus ähnliche Kurve bei den Inzidenzen. Bis auf die Delta-Welle, die es dort genauso wenig gab wie die „Frühjahrswelle“ letztes Jahr – letzteres ist jedoch auch für die westlichen Bundesländer Österreichs zu beobachten.

Aber wo sind die Test-Zahlen? Das ist KEIN Abbildungs- oder Skalierfehler! In der Schweiz wurde nie so viel getestet wie bei uns – mehr als 8.170 Tests pro 100.000 EW gab es nie!  Trotzdem gab es ähnlich Inzidenz-Kurvenverläufe wie bei uns! Und das OHNE FFP2-Maskenpflicht (ein MNS reichte in der Schweiz fast immer und überall, solange es dazu Vorschriften gab) und ohne Impfpflicht oder Schultestungen (mehrmals in der Woche und mit PCR) wie bei uns.

Wie viele Tests braucht es?

Nein, ich will hier keine philosophische oder medizinische Diskussion über die nötige Anzahl der Tests beginnen. Ich stelle nur noch etwas grafisch dar.

Die gesamte Pandemie

Das ist die Kurve, die uns zeigt, wie viele Tests es pro Kalenderwoche und Bundesland brauchte, um EINEN positiven Test zu erhalten. Was fällt auf? Die extreme Spitze in der Mitte und die Werte ganz am Anfang.

So sieht das ganze aus, wenn wir die Inzidenz aus Österreich darunter legen. Wir erkennen, dass diese „Spitze“ in die Zeit gefallen ist, als es im Sommer 2021 fast keine Positiven gab. Damals mussten viele, weil sie zB in die Nachtgastro wollten, einen Test machen lassen. 13.000 Tests brauchte es in der Steiermark für einen einzigen positiven und mehr als 22.000 in Kärnten. Sonst sehen wir wegen der extrem hohen Zahlen im Sommer 2021 immer noch nichts…

2022

Daher hier eine dritte Kurve mit den Zahlen nur aus diesem Jahr. Zuerst die Inzidenzen:

Wir erkennen durchaus Unterschiede, so liegt etwa die Steiermark (grün) zuerst ganz unten und bei der zweiten Welle von Omikron ganz oben – bei Tirol ist es genau umgekehrt. Allerdings gibt es keine extremen Ausreißer, die vollkommen anders liegen.

Und hier nun die „wie viele Tests braucht es“-Kurve. Während es in Wien nie weniger als 28 waren, sind es in allen Bundesländern außer Wien und NÖ ab KW 2 nie MEHR als 30 (Ausnahme Steiermark in KW 2).

FAZIT

Bringt es viel, wenn viel getestet wird? So wie diese Zahlen aussehen, bringt es in meinen Augen vor allem eines: Viel Geld für diejenigen, die viel testen. Wir haben einen direkten Nachbarn mit fast derselben Einwohneranzahl – die Schweiz. Dort wurde nie auch nur ansatzweise so viel getestet wie bei uns. Die Zahlen waren trotzdem ähnlich hoch, was die Inzidenzen betrifft.
Bei den Todeszahlen sieht es anders aus. Während es in der Schweiz bis heute 13.252 offizielle Todesfälle an und mit Covid gibt (das sind 152 pro 100.000 EW), sind es bei uns laut BM für Gesundheit 18.100. Und laut AGES-Dashboard sind bei uns bisher 218 Menschen pro 100.000 an und mit C19 verstorben. Das sind 43% mehr als in der Schweiz!
Was haben wohl die Schweizer mit dem Geld gemacht, das sie sich gespart haben beim Testen? Ich hoffe etwas sinnvolleres als wir in Österreich!

Tu felix Austria…