Historische WiEnter -TEIL 1: Temperaturen

Wer bei mir mitliest, weiß, dass ich die historischen Daten aus Wien sehr interessante finde, wenn es ums Wetter geht. Daher habe ich mir einmal ganz viele verschiedene dieser Daten heruntergeladen und angesehen. Ihr werdet überrascht sein, was sich da alles findet!

Wir beginnen mit Altbekanntem – allerdings in neuen Kleidern (=Grafiken). Für die Temperaturen auf der Hohen Warte gibt es teilweise seit 1775 Daten – in neuerer Zeit kommen ganz andere dazu als die ursprünglich. Starten wir trotzdem mit denen, die wir schon kennen:

7 Uhr morgens

Zuerst sehen wir eine Grafik mit den „Extremwerten“ – von jedem Jahr seit 1775 ist der kälteste und der wärmste Tag zu sehen morgens um 7 Uhr:

Ein einziges Mal gab es einen Tag, an dem es morgens um 7 Uhr bereits über 30 Grad hatte: Es war im Jahr 1782 mit 30,6 Grad. Am kältesten war es im Jahr 1929, als es unter -25 Grad hatte um diese Uhrzeit!
Interessant sind auch die anderen beiden ausgewiesenen Jahre: 1898 war es an keinem einzigen Tag des Jahres wärmer als 19,8 Grad am Morgen und 1974 hatte es selbst am kältesten Morgen des Jahres nur -1,9 Grad.
Vielleicht auch interessant: Den größten Unterschied innerhalb eines einzigen Jahres zwischen dem kältesten und wärmsten Morgen gab es 1798 – damals lagen 51,4 Grad zwischen den beiden Extremwerten. 1974 war der Unterschied am geringsten und zwischen dem wärmsten und kühlsten Morgen liegen nur 25,3 Grad!

Die beiden gepunkteten Linien zeigen den Trend der letzten 248 Jahre: Während die kältesten Morgen seit damals im langjährigen Trend etwa 2 Grad wärmer wurden, wurden die wärmsten Morgen im Schnitt etwa 2 Grad KÜHLER! Das heißt, dass die Bandbreite morgens geringer wird.

Diese Grafik zeigt uns das Jahresmittel der Temperaturen um sieben Uhr in der Früh: Wir sehen eindeutig, dass es vor etwa 220 Jahren am Morgen in Wien WÄRMER war als heute. Das 20-Jahres-Mittel (gepunktete Linie) sinkt nach 1825 stark ab und erreicht um 1895 seinen historischen Tiefststand mit fast 3 Grad weniger als 50 Jahre davor. Dann steigt es langsam wieder an bis 1935. Einen starken Anstieg gibt es beim Durchschnitt über 20 Jahre erst ab 1985 und derzeit liegen wir in etwa dort, wo wir vor 225 Jahren waren. Die wärmsten Morgen – über ein Jahr gesehen – gab es 1796 mit im Schnitt 11 Grad, am kühlsten war es 1863 mit gerade einmal knapp 5,5 Grad Celsius.

Wie sieht das Ganze bei den einzelnen Jahreszeiten aus?

Im Winter ist dieser Trend ebenfalls zu sehen: Lag das 10-Jahres-Mittel um 1800 herum bei etwa Null Grad, so waren es um 1900 nur -2°C. Zwischen den Weltkriegen lag das Mittel wieder bei Null Grad, sank dann mehrmals wieder gegen -2 Grad ab und seit 1985 liegt es – erstmals überhaupt – über Null Grad mit steigender Tendenz.
FAZIT: Die Winter werden seit den 70-er Jahren immer wärmer frühmorgens im Wien.

Im Frühling zeigt sich ein anderes Bild: Hier waren die Morgentemperaturen vor 250 Jahren noch HÖHER als derzeit, allerdings nicht mehr viel. Von 1790 bis 1835 gab es eine lange Phase mit warmen Frühlingsmorgen in Wien. Danach sank die Temperatur im 20-Jahres-Mittel von etwa 13°C auf fast 9°C ab – das sind fast 4 Grad weniger innerhalb von 35 Jahren! Dort blieb sie dann lange Zeit, erst nach dem zweiten Weltkrieg gab es eine erste Erwärmung für fast 10 Jahre. Danach blieben die Temperaturen im Frühling morgens bis etwa 1990 stabil um 10 Grad herum – erst danach stiegen sie um etwa 2 Grad an bis heute. 2015 war mit 15 Grad der absolute „Ausreißer nach oben“ und um 7 Uhr der wärmste Frühling seit fast 200 Jahren.
FAZIT: Der Frühling war lange Zeit noch wärmer als er es derzeit ist, danach folgten fast 140 Jahre mit kühlen Morgentemperaturen in Wien.

Auch im Sommer war es um 1800 herum deutlich wärmer als heute – fast um 2 Grad war das 20-Jahres-Mittel damals höher als heute. Auch hier fielen die Temperaturen nach 1846 rapide ab und der Schnitt war um 1870 um 4 Grad tiefer. Einen Anstieg gibt es seit 1985 zu sehen bis heute.
FAZIT: Auch im Sommer war es lange Zeit wärmer als er es derzeit ist, danach folgten fast 140 Jahre mit kühlen Sommermorgen in Wien.

Im Herbst sind die Unterschiede wieder geringer. Es war vor 230 Jahren im 20-Jahres-Ø in etwa gleich warm wie heute. Die kühlste Phase gab es um 1890 herum, wo es etwa 2 Grad weniger waren.
FAZIT: Die Herbstmorgen in Wien sind heute etwa gleich frisch wie vor 230 Jahren – mit steigender Tendenz.

14 Uhr mittags

Wir kennen die Darstellung schon von oben. Am wärmsten war es um 14 Uhr an einem Tag im Jahr 1822 mit 38,1 Grad. 1913 schaffte es der heißeste Tag im Jahr nicht über 26,5 Grad. Oder anders gesagt: Um 14 Uhr gab es in 250 Jahren nicht ein Jahr in Wien auf der Hohen Warte, an dem es nicht mindestens einmal 26,5 Grad hatte und maximal 38,1 Grad.
Die kälteste 14-Uhr-Temperatur stammt aus dem Jahr 1850, als es selbst am frühen Nachmittag nicht mehr als -18,4 Grad hatte. Das Jahr mit dem am wenigsten kalten Morgen ist derzeit zwar 2023 mit -0,9 Grad, allerdings fehlt hier nach einem sehr warmen Jänner noch der Herbst und Winter bis zum 31. Dezember – vielleicht ist hier noch ein Wert dabei, der tiefer liegt? Abgesehen davon war 1806 das Jahr mit dem am wenigsten kalten Nachmittag: Nie war es damals kälter um 14 Uhr als -1,3 Grad!
Auch hier zeigt ein ähnlicher Trend wie morgens: Die Maximaltemperaturen bleiben in etwas gleich seit 250 Jahren, die Minima steigen deutlich an seit 1775.

Der Jahres-Ø um 14 Uhr liegt zwischen knapp unter 10°C im Jahr 1940 und fast 16°C im Jahr 1834. Der 20-Jahres-Schnitt ist trotzdem jetzt höher als damals, weil es damals auch kühlere Jahre dazwischen gab, was heute mit Ausnahme von 2010 nicht der Fall ist.

Nicht wirklich oft lagen die Temperaturen um 14 Uhr im Mittel aller Wintertage (21. Dezember des Vorjahres bis 20. März) unter Null Grad. Das letzte Mal war das 1987 der Fall. Das 20-Jahres-Ø lag lange Zeit rund um +2 Grad, stieg zwischen den Weltkriegen kurzzeitig auf etwa 3 Grad. Erst seit 1980 liegen die Werte hier darüber, zuletzt im Schnitt bei +5 Grad.

Im Frühling war es vor ca. 190 Jahren fast gleich warm wie heute um 14 Uhr in Wien. Dazwischen war es fast 3 Grad kühler phasenweise. Den wärmsten Frühling aller Messjahre gab es 2018.

Im Sommer war es im Mittel der letzten 20 Jahre von etwa 1800 bis 1850 immer über 23 Grad warm. Kurz vor dem ersten Weltkrieg sorgten einige sehr kalte Sommer für ein Abrutschen dieses Wertes auf fast 20 Grad. Seither steigen die Werte wieder, aber erst seit 2015 liegen sie über denen aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Seit 2015 gibt es DURCHGEHEND Werte für die einzelnen Jahre zwischen 24,5 und 26,2 Grad.

Ganz ähnlich sieht es im Herbst aus: Die Werte lagen im 20-Jahres-Mittel immer zwischen 7,5 und 9 Grad, erst seit ungefähr 2003 liegen sie über 9°C.

19 Uhr abends

Nun folgen die Temperaturwerte für den Abend. Ab 1775 wurden auch um 19 Uhr (Sommerzeit wurde natürlich eliminiert bei den Messungen) die Temperatur gemessen auf der hohen Warte. Von fast 90.000 Tagen seither fehlen nur für etwa 460 Tage die Werte! Diese habe ich bei den Berechnungen so gut es geht eliminiert bzw. berücksichtigt!

Nur bei den Abendwerten gibt es sowohl bei dem Maxima als auch den Minima im Trend eine Steigerung zu sehen. Am wärmsten war es einmal im Jahr 2013, als es in Wien 34,4°C hatte. Am kühlsten war das Jahr 1913 – damals erreicht kein Abend um 19 Uhr mehr als 22 Grad.
Der kälteste Abend um 19 Uhr wurde im Jahr 1893 verzeichnet, als es nur -22,2°C hatte. Mehr als 20 Grad wärmer war der kälteste Abend im Jahr 1974 mit -1,8°C. Da war es sogar im laufenden Jahr 2023 mit -,29 Grad deutlich kälter.

Über alle Abende gesehen im Laufe eines Jahres war es nie kühler als 1829 – damals lag das Jahresmittel für 19 Uhr bei 6,32 Grad. Im Jahr 2018 war das wärmste Jahr mit 13,3°C um fast genau 7 Grad wärmer. Im 20-Jahres-Mittel lagen die Werte vor 1815 bei fast 10 Grad, sanken dann auf unter 8 Grad und stiegen von 1975 bis heute von etwa 9,5 Grad auf etwas mehr als 12 Grad. Vor allem 1996 und 2010 fielen als deutlich kühlere Jahre aus der Reihe.

Auch im Winter stiegen die Werte seit 1975 um etwa 2,5 Grad an. Es gab seit 2007 keinen Winter mehr in Wien, in dem das Mittel aller Tage unter Null Grad lag.

Auch der Frühling zeigt ein ähnliches Bild: Wenig Unterschiede bis 1975, danach ein Anstieg um fast 3 Grad bis heute.

Das gleiche Bild nur mit höheren Zahlenwerten für den Sommer – und mit mehr Anstieg: Seit 1975 stieg das 20-Jahres-Mittel von 18°C auf fast 22°C an – das sind fast 4 Grad mehr als damals.

Deutlich weniger ausgeprägt ist dieser Trend am Abend nur im Herbst. Hier steigt die Temperatur zwar auch seit 1920 durchgehend an, allerdings sind es seit 1975 keine zwei Grad Unterschied. Die wärmsten Herbst-Abende gab es 2006 und 2000, auch 2014, 2018 und 2019 waren ausgesprochen warm.

Temperaturmaxima

Seit 1855 werden auch täglich der Maximal- und Minimalwert verzeichnet. Aus dem Schnitt dieser beiden Werte ergibt sich dann das Tagesmittel. Das bedeutet zum Beispiel (weniger relevant für Wien), dass ein eher kühler Tag, an dem es durch einen Föhneinbruch eine starke Temperaturspitze gibt, ein hohes Tagesmittel erhält. Umgekehrt kann ein abendlicher Kaltlufteinbruch ein Tagesmittel eines heißen Tages deutlich drücken.

Beim Jahres-Schnitt aller Maximaltemperaturen gibt es zwischen dem kältesten Jahr der Aufzeichnungen, 1940 mit knapp unter 11 Grad, und dem wärmsten, 2019 mit 17,3 Grad, mehr als 6 Grad Unterschied übers Jahr gesehen.
Die Tendenz hier ist erwartungsgemäß klar steigend – allerdings fehlen uns hier die warmen Jahre vor 1850, wie wir sie oben bei den Messungen noch hatten.

Temperaturminima

Etwas weniger dramatisch sieht die Entwicklung beim Jahres-Schnitt aller Minimaltemperaturen aus. Der Unterschied zwischen 1940 und 2018 liegt bei etwa 4,5 Grad. Die Tendenz ist ebenfalls klar steigend.

Temperaturmittel

Alles andere als ein Wert zwischen den beiden Werten oben wäre jetzt mathematisch gesehen „irritierend“ gewesen. Auch hier fehlen leider die Werte von vor 1850, als es (siehe oben) deutlich wärmer war als danach. Das 20-Jahres-Mittel stieg seit 1975 bis heute um nicht ganz zwei Grad an.

Auch bei den Jahreszeiten gibt es zwischen +1°C (Herbst) und +2°C (Winter bis Sommer) Anstieg seit 1975. Auffallend ist hier, dass das 20-Jahres-Mittel im Herbst und Frühling derzeit nicht mehr zu steigen scheint.

NEU: Die Boden-Werte

Leider erst seit 1959 gibt es auch Messungen der minimalen Tages-Lufttemperatur 5cm über dem Boden. Diese zeigen, dass der Trend wie bei der Lufttemperatur, die in 2m Höhe gemessen wird, vor allem bei den Minimaltemperaturen deutlich mehr nach oben zeigt als bei den Maxima.
1985 gab es einmal -26°C am Boden, am wämsten 2015, als es an einem Tag nie kälter als 23,3 Grad war. 1974 war es nie kälter als -7,4°C am Boden und 1975 unterschritt das Thermometer in 5cm Höhe am wärmsten Tag des Jahres nie den Wert von 15 Grad.

Da die Minimal-Bodentemperaturen erst seit 1959 erfasst werden, geht der 20-Jahres-Schnitt bei den einzelnen Jahreszeit erst bei 1979 los:

Im Winter stieg er in diesen fast 45 Jahren um etwa 2 Grad an. Nur der Winter von 2007 und 2014 hatten im Schnitt positive Bodentemperaturen beim Minumum-Wert.

Im Frühling stieg das 20-Jahres-Ø von 1979 bis 2019 an, drei sehr kühle Jahre zuletzt bremsen diese Entwicklung allerdings wieder ein. 2018 und 2017 waren die einzigen beiden Jahre, in denen es in Wien im Schnitt im Frühling in 5cm überm Boden mindestens 8 Grad hatte.

Auch im Sommer waren die letzten 3 Jahre kühler (hier fehlt 2023 noch, darum ist es eines weniger). 2015 und 2018 waren die Spitzenreiter, 1976 war am kühlsten. Der sich zuletzt abflachende Trend zeigt etwa 2 Grad mehr als vor 45 Jahren im 20-Jahres-Ø.

Im Herbst waren die Jahre 2014 und 2015 die wärmsten 5cm über dem Boden. 1973 und 1983 gab es sogar im Schnitt Minustemperaturen! Auch hier ist der Trend von +2 Grad in 45 Jahren zuletzt abgeflacht.

FAZIT

Die Temperaturen steigen seit 1970 an – zwischen einem und bis zu vier Grad, je nachdem, welche Messwerte wir uns ansehen. Auffallend sind für mich dabei zwei Sachen:
Erstens gab es vor etwa 225 Jahren ähnlich warme Messungen wie heute. Vergleichen mit damals gibt es sogar Bereiche, in denen es bis heute NICHT wärmer ist als damals!
Und zweitens sind die Anstiege am Morgen deutlich weniger ausgeprägt als am Abend und in Bodennähe weniger unterschiedlich bei den Jahreszeiten als in 2 Meter Höhe. In 5cm über dem Boden gemessen gibt es derzeit in Wien sogar in den letzten Jahren bei den meisten Jahreszeiten eine Tendenz weg vom Anstieg.

In Teil zwei wird es dann um andere Werte gehen als die Temperaturen. Ich kann bereits versprechen: Es wird spannend! Einer dieser Werte könnte auch einiges in Sachen Temperaturanstieg erklären!

Nachsatz

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