„Der heißeste seit Jahrtausenden“

Disclaimer: Ja, es wird wärmer in den letzten Jahren und Jahrzehnten – das steht außer Zweifel. Leider betreiben wir Menschen weiter Raubbau an der Natur und der Klimawandel ist mit Sicherheit (auch) menschengemacht – alleine die zunehmende Versiegelung der Böden (siehe dazu auch hier) trägt das ihre dazu bei, dass die Temperaturen steigen.

Warum ich solche Postings schreibe, hat mehrere Gründe: Erstens meine Neugier, wie sich das Ganze in Österreich darstellt, wenn es um die Daten geht. Und zweitens auch der Aspekt, wie darüber diskutiert wird. Meiner Meinung nach gibt es hier sehr viel Unwissenschaftliches und Populistisches zu lesen.
Ich mache (Ausnahmen bestätigen die Regel) auch keine „Prognosen“, stelle gerne Fragen oder zeige eben das auf, was die Daten hergeben.

Der Juli

… „DÜRFTE“ laut manchen Beiträgen, die ich gestern gelesen habe, „MÖGLICHERWEISE der heißeste Juli seit Jahrtausenden“ werden (siehe zum Beispiel hier).
Dazu zwei Bemerkungen: Ich habe großen Respekt vor Wissenschaftlern, die so etwas feststellen können – frage mich jedoch, wie die auf diese Daten kommen für einen einzelnen Monat – wo es doch meines Wissens keine Temperaturaufzeichnungen gibt, die weiter als 250 bis 300 Jahre zurück gehen. Und wenn es „seit JahrtausendEN“ nicht heißer war, müssen ja mindestens 3 Jahrtausende weit zurück liegende Daten für die gesamte Erde (global – siehe Frage zwei) vorliegen, oder?
Und zweitens wird dabei von der GLOBALEN Temperatur gesprochen, also eine Art „Welt-Durchschnittstemperatur“. Hier würde ich gerne wissen, wie eine „globale Durchschnittstemperatur“ berechnet wird. Welche Mess-Stationen werden dafür aus welchem Grund herangezogen? Wo stehen diese? Und woher stammen (siehe Frage eins) die Vergleichsdaten?

Österreich

Genug der Fragen – beschäftigen wir uns mit den Daten aus Österreich, von denen es dank ZAMG viele gibt. Ich bin folgendermaßen herangegangen an das österreichische Jahr 2023 und auch den Juli 2023 und seine Daten:

Ich habe die Hunderten Mess-Stationen Österreichs nach ihrer „Klima-ID“ geordnet. Dann habe ich unter den ersten 20-30 welche herausgesucht, von denen ich mit meinen bescheidenen Geographie-Kenntnissen gleich wusste, wo sie liegen. Denn ich wollte gerne ein „Mess-Netz“, das über ganz Österreich verteilt ist.
Dabei kamen folgende Stationen heraus: Bregenz ganz im Westen (und zudem am größten See Österreichs gelegen), Eisenstadt ganz im Osten, Bad Gleichenberg im Südosten, Bad Bleiburg im Süden, Aigen im Ennstal in der „Mitte“ und Allentsteig im Norden und – weil zwischen Bregenz und Aigen doch viele Kilometer liegen – auch noch der Brenner dazu, der auch wegen seiner Höhe interessante Daten liefert.

Für jeden dieser Orte habe ich die TemperaturMAXIMA jedes Tages ab 1950 – sofern verfügbar – abgerufen. Das ist die tägliche Temperatur, als das Thermometer den HÖCHSTEN Wert anzeigte.

Von diesen Temperaturmaxima gibt es nun für jeden Tag einen HÖCHSTWERT und einen TIEFSTWERT. Beispiel: Die neuesten Daten stammen von gestern, dem 27. Juli. In Bregenz war es an diesem Datum nie wärmer als im Jahr 1984, als es 34,5 Grad hatte. Das niedrigste Temperaturmaximum war in Bregenz zwei Jahre davor im Jahr 1982 – da hatte es mit 14,9 Grad fast zwanzig Grad weniger zu dem Zeitpunkt. Trotzdem war das das Tagesmaximum dieses Tages.

Bregenz

Als Grafik sieht das dann so aus: die schwarzen Linien zeigen den Bereich, in dem sich das Temperaturmaximum in Bregenz bewegt hat seit 1950. Die rote Linie zeigt den Schnitt der Maxima und die blaue Linie den Schnitt der Maxima der letzten 10 Jahre. Die gelbe Linie zeigt das jeweilige Tages-Maximum des Jahres 2023 – das natürlich weit mehr Auf und Ab-Bewegungen zeigt als ein langjähriger Schnitt.

Ganz oben sehen wir noch rot eine Info: An 51% aller Tage war es 2023 WÄRMER als im Mittel der Jahre seit 1950.
Weiters habe ich für jeden Ort den Schnitt aller Tage bis zum 27. Juli berechnet bei den Temperaturmaxima. Das Jahr 2023 war in Bregenz das fünftwärmste seit 1950. Alle anderen vier Jahre, die wärmer waren, finden sich ab 2014.
Der Juli 2023 war mit 27 Grad im Mittel der täglichen Höchsttemperaturen der zehntwärmste Juli seit 1950 am Bodensee. Der – bis zum 27. des Monats – heißeste Juli war der von 2015 mit 29,6 Grad – damals war es also im SCHNITT aller Tage fast 30 Grad warm zum wärmsten Zeitpunkt des Tages! Das sind 2,6 Grad mehr als 2023!
Auch die Juli-Temperaturen von 1952 und 1983 liegen über denen von 2023. Die anderen acht wärmeren Julis sind alle zwischen 2006 und 2023 zu finden.

Brenner

Auch vom Brenner gibt es Daten seit dem Jahr 1950 – allerdings fehlen die Temperaturmaxima vom 1.2. 1954 bis zum 31.12.1955 und auch vom 1.2. 1956 bis zum 1.12. 1956 sowie von 11. August 2016 bis 28. Juni 2016 gibt es kein Temperaturmaximum. Am Brenner waren fast 60% aller Tage im Jahr 2023 WÄRMER als im Mittel der Jahre seit 1950 – das ist bei WEITEM der höchste Wert aller hier angeführten Mess-Stationen.
Trotzdem war das Jahr 2023 war von den etwa 70 verfügbaren Jahren seit 1950 „nur“ das sechstwärmste bis incl. 27. Juli, wenn wir die Durchschnittstemperatur der Maxima vergleichen. Alle fünf Jahre, die wärmer waren, finden sich in den Jahren ab 2007.
Der Juli 2023 war mit 21,1 Grad im Mittel der täglichen Höchsttemperaturen nur an 14. Stelle seit 1950 – sowohl 1950 als auch 1952 war es im Juli am Brenner wärmer als dieses Jahr. 2015 war es sogar um 4,6 Grad wärmer!

Aigen im Ennstal

Aigen im Ennstal liegt nahe der Stadt Liezen und noch näher am „Schwerpunkt“ Österreichs. Das ist der Punkt, an dem eine ausgeschnitte Österreich-Karte im Gleichgewicht bleibt. Aigen liegt über 200 m höher als Bregenz. Die Daten zum täglichen Temperaturmaximum reichen in Aigen bis zum Jahr 1963 zurück, das sind 61 Jahre. In Aigen waren nur 47% aller Tage im Jahr 2023 WÄRMER als im Mittel der Jahre seit 1950 – das ist der niedrigste Wert aller hier angeführten Mess-Stationen und bedeutet, dass umgekehrt etwa 53% aller tage KÜHLER waren als im Schnitt.
Weder das Jahr noch der Monat Juli waren in Aigen unter den 10 wärmsten seit Messbeginn zu finden. Das Jahr 2023 war von den 61 Jahren seit 1984 nur an 17. Stelle, der Juli an 14. Stelle. Das Jahr 2007 war das wärmste in dem Ort in der Steiermark und der Juli 2015 der wärmste Monat. Damals war es mit 28,3 Grad fast genau um drei Grad wärmer im Monatsmittel der Höchsttemperaturen.

Bad Bleiberg

Bad Bleiberg im Bezirk Villach liegt mit 902m Seehöhe deutlich höher als die anderen Mess-Stationen. Fast 52% aller Tage im Jahr 2023 lagen bisher über dem Schnitt der Daten aller Temperaturmaxima, die in Bad Bleiberg bis 1950 zurück gehen. Leider fehlen die Werte von 1. Mai 1981 bis 30. April 1985, daher sind 70 Jahre an Meßdaten vorhanden aus 74 Jahren.

Interessanterweise gehört hier bereits das Jahr 1950 – und auch der damalige Juli – zu den Top 5, was die Maximaltemperaturen betrifft! Das Jahr 2023 war in Bad Bleiberg eher ein „gemäßigtes“ bisher – 12 Jahre waren wärmer und 10 Mal auch der Juli als Monat, wenn es um die täglichen Temperaturmaxima geht. 2007 war insgesamt um fast drei Grad wärmer als wärmstes Jahr und der wärmste Juli von 2015 lag mit 26,9 Grad um 2,5 Grad über dem von 2023.

Bad Gleichenberg

Wir bleiben im Süden Österreichs, gehen allerdings mehr in den Südosten und liegen in Bad Gleichenberg nur mehr auf 316m Seehöhe. Wie in Aigen so sind auch hier weniger als die Hälfte aller Temperaturmaxima seit Jahresbeginn über dem langjährigen Schnitt (fast 48%). Bei diesem fehlen seit 1950 nur die Daten von 1973 und für den Zeitraum von 1. Februar 2001 bis 30. April 2003 – also sind auch hier ziemlich genau 70 Jahre an Temperaturmaxima vorhanden.

Auch in Bad Gleichenberg ist der Juli 1950 unter den fünf heißesten seit damals zu finden, der von 2023 hingegen nicht, er liegt sogar nur an 17. Stelle. Auch das Jahr 2023 ist derzeit „nur“ an 14. Stelle aller Jahre zu finden. Am heißesten waren das Jahr 2007 (+2,1 Grad im Vergleich zu 2023) und der Juli von 2015, der als einziger sogar im Schnitt aller Tage über 30 Grad liegt – er war um 2,7 Grad wärmer als der von 2023!

Eisenstadt

Burgenlands Hauptstadt liegt noch einmal 130 Meter tiefer als Bad Gleichenberg. Nur mehr 182 m über dem Meer waren im Jahr 2023 53% aller Tageesmaxima höher als der langjährige Schnitt. Und der reicht wie in Bregenz am anderen Ende von Österreich komplett zurück bis 1950!

Die zehn wärmsten Jahre in Eisenstadt seit 1950 sind alle ab dem Jahr 2000 zu finden. Allerdings ist 2023 „nur“ an siebter Stelle zu finden. Auch hier war 2007 bis zum 27. Juli das wärmste Jahr. Damals war es um etwa ein Grad wärmer als 2023.
Der Juli 2023 war zusammen mit dem von 2022 der zweitwärmste seit 1950. Nur 2015 war noch einmal um 1,2 Grad wärmer in Sachen Tages-Höchsttemperaturen. Der Juli 1950 war nur um 0,6 Grad kühler als der laufende und ist damit ebenfalls unter den Top 10 aller Jahre.

Allentsteig

Allentsteig liegt ganz im Norden Österreichs und auf 550 m Seehöhe. Dort waren bisher 55% aller Tagesmaxima über dem Durchschnitt, der bis zum 1. Oktober 1983 zurückreicht.

Das Jahr 2023 liegt an neunter Stelle unter den wärmsten Jahren in Sachen tägliche Maximaltemperaturen. 2007 war es fast zwei Grad wärmer.
Auch in Allentsteig schafft es der Juli nicht ganz nach vorne – mit 26,1 Grad ist er zwar der zweitwärmste seit 1984, aber doch um genau zwei Grad kühler als der von 2015 und nur 0,1 Grad wärmer als der von 2006.

FAZIT

Egal, welche Station ich mir in Österreich anschaue von den sieben ausgesuchten übers ganze Land verteilten: NIRGENDS ist der Juli 2023 der heißeste Monat seit 1950 bzw. Beginn der Aufzeichnung der Temperaturmaxima.
Und auch das Jahr 2023 liegt zwar einmal unter den fünf und fünfmal unter den zehn wärmsten – GANZ vorne ist es jedoch nie. Das wärmste Jahr ist einmal 2022 (Bregenz) und sonst immer 2007 – wenn wir die Daten bis zum 27. Juli des Jahres ansehen.
Beim Juli ist es so, dass er zwar dreimal von sieben möglichen Werten unter den Top Fünf liegt und auch noch einmal unter den Top 10, aber auch hier ist er nie ganz vorne. Das war ÜBERALL der Juli vom Jahr 2015. Wenn ich die letzten vier Tage des Julis mit berücksichtige, dann ändert sich das nur mehr im Süden, wo 2013 das Jahr 2015 mit vier heißen Tagen am Monatsende noch abfangen kann. Für 2023 ist bereits klar, dass dies nicht der Fall sein wird!

Meine Prognose in Sachen „2023 wird nicht das wärmste Jahr der Aufzeichnungen in Österreich“ könnte sich jedoch trotzdem noch als falsch erweisen, wenn die zweite Hälfte des Jahres deutlich über dem Schnitt bleibt.

Trotzdem haben die Zahlen aus dem kleinen Österreich, die auch nur bis 1950 zurückreichen, nie so eine Aussagekraft wie die von Daten, die die GLOBALE Temperatur messen und dazu als Vergleich auf JAHRTAUSENDE zurückgreifen! *zwinkersmiley

Nachsatz

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