Das Ländle und der Tod

Normalerweise wird bereits uns nicht viel über Sterben und den Tod gesprochen, meine ich. In den letzten drei Jahren schon – allerdings nur über den, der mit einem Thema in Zusammenhang gebracht wurde: COVID. Dass dabei bei den offiziellen Todesfällen viel im Argen liegt, wissen wir nicht erst, seit letzte Woche durch eine „Angleichung der Datenbasis“ die Änderung der Zahlen dazu geführt hat, dass wir plötzlich 15% Todesfälle mehr an oder mit Covid haben, als es davor waren – und alle davon passierten in den Jahren 2020 und 2021. Diese sind übrigens in den Daten, die ich unten angeführt habe, nicht mit berücksichtigt.

Ich habe mir heute einmal angesehen, wie es generell aussieht mit den Todesfällen im Land. Und zwar auf Gemeindeebene und für die Kalenderjahre bis 2021 – für 2022 gibt es logischerweise noch keine Zahlen.
Natürlich sind die Zahlen relativiert – denn jedem dürfte klar sein, dass in Dornbirn, wo mehr als 12,5% aller VorarlbergerInnen leben, mehr Menschen sterben als in Dünserberg, wo derzeit laut neuesten Zahlen des Landes 152 EinwohnerInnen mit Hauptwohnsitz gemeldet sind. In Dornbirn leben also etwa 335,5 Mal MEHR Menschen als in Dünserberg.
Andererseits wirken sich Veränderungen in kleinen Gemeinden viel extremer aus, wenn wir die Sache in Prozent der EW anschauen. Ein zusätzlicher Todesfall in Dünserberg macht eine Veränderung um 0,65% aus, ein zusätzlicher Todesfall in Dornbirn nur 0,0019% – dort braucht es für eine Veränderung um 0,65% mehr als 335 Todesfälle zusätzlich.

Die Durchschnittswerte der Vorjahre

Als Vergleich habe ich die Durchschnittswerte der Jahre vor der Pandemiezeit herangezogen. Einmal den 10-Jahres-Schnitt von 2010 bis 2019 und einmal den Fünfjahreswert von 2014 bis 2019. Welche Gemeinden fallen dort besonders auf?

Die Extreme

Die meisten Todesfälle pro Einwohner gibt es sowohl beim 5- als auch beim 10-Jahres-Schnitt in einer Gemeinde, die gar nicht zu den allerkleinsten gehört:

1.000 EinwohnerInnen leben laut Land mit Hauptwohnsitz in Innerbraz – davon sterben im Schnitt 15 bis 18 im Schnitt der 10 bzw. 5 Jahre vor 2020. Das sind dann 1,42% bzw. 1,78% aller Menschen – oder eine von 68 bzw. 56 Personen. Die Zahl 0,2% zeigt an, wie viele der dort lebenden Menschen bis 2021 an/mit C19 verstarben.


Ebenfalls unter den „Top 3“ zu finden sind Röthis (für beide Schnittwerte), Schruns (5 Jahre) und Damüls (10 Jahre).


Am wenigsten Todesfälle im Fünfjahresschnitt gab es in Bludesch (0,12%), beim Zehnjahresschnitt war es Stallehr (0,35%).

Die Jahre 2020 und 2021

Im Vergleich dazu kommen jetzt die beiden bereits voll ausgewerteten Jahre 2020 und 2021 zum Tragen. Auch hier habe ich einen Durchschnittswert errechnet – also quasi den „Zweijahresschnitt“ aus beiden Jahren. Denn dieses Ewig-Weiterzählen, das bei den Dashboards passiert, ist in meinen Augen auch zu hinterfragen – und im Vergleich mit anderen Jahren auch unbrauchbar – außer ich würde auch sonst immer einen Schnitt wählen, der ebenfalls gleich lange ist wie der der Pandemie. Welche Gemeinden fallen nun hier besonders auf?

Die Extreme

Die meisten Todesfälle pro Einwohner INSGESAMT gab es in der zweitkleinsten Gemeinde des Landes, wenn es um die Bevölkerungszahlen geht: Warth. Nur 178 EinwohnerInnen leben mit Hauptwohnsitz in Warth – das sind allerdings um 12 mehr als noch 2020 – was einer Steigerung von mehr als 7% entspricht.

Bei den Todeszahlen, die immer pro EW im jeweiligen Jahr berechnet sind, tut das weniger zu Sache.
In Warth starben in den zwei Jahren 2020 und 2021 1,79% aller dort gemeldeten Personen.  Das ist minimal mehr, als es im Schnitt der 5 Jahre vor der Pandemie in Innerbraz waren.

Ebenfalls unter den „Top 3“ zu finden sind Dünserberg (1,75%) und Langen bei Bregenz (1,34%). Das heißt neben den beiden kleinsten Gemeinden gibt es in Langen durchaus eine Gemeinde, die mit mehr als 1.500 EW nicht mehr zu den kleinsten im Land gehört.
Am wenigsten Todesfälle in den beiden Jahren gab es in Viktorsberg (0,36%), dicht gefolgt von Bludesch (0,37%) und Hohenweiler (0,38%).


Wenn wir die offiziellen Covid-Todesfälle anschauen, sind andere Gemeinden ganz vorne zu finden: 0,22% aller EinwohnerInnen aus Reuthe werden als offizielle Covid-Todesfälle geführt – das ist eine Person von 454. Am zweitmeisten offizielle C19-Verstorbene gab es in Schwarzenberg (0,16%) gefolgt von Klösterle (0,15%). Während Reuthe und Klösterle beide knapp unter 700 EinwohnerInnen haben, sind es in Schwarzenberg mit 1.850 deutlich mehr.

Das Tapetenmuster

Vor vielen Monaten habe ich einmal Grafiken zu allen Gemeinden gepostet – damals meinte jemand, das wäre ein schönes Tapetenmuster. Hier folgen nun die Grafiken ALLER Vorarlberger Gemeinden – immer 18 und einmal 24 zusammengefasst in alphabetischer Reihenfolge.
Die drei Säulen zeigen folgendes: die erste Säule zeigt den Zehnjahresschnitt bis 2019. Die zweite Säule zeigt den Schnitt der 5 Jahre von 2014 bis 2019 – ein vergleich dieser beiden Zahlen zeigt eine Tendenz der letzten 5 Jahre im Vergleich zu den letzten 10 Jahren zu mehr oder weniger Todesfällen. Die dritte Säule zeigt den Schnitt der zwei Jahre 2020 und 2021, wobei die offiziellen Covid-Todesfälle farblich getrennt angezeigt werden. Ich habe dieses Mal die Skala der Grafiken NICHT überall gleich gemacht, weil es sonst teilweise so kleine Säulen geworden wären, dass nicht mehr viel erkennbar gewesen wäre.

Teil 1

Bei den ersten 18 Gemeinden fällt in Sachen Covid vor allem Altach auf – ohne die offiziellen Covid-Todesfälle hätte es dort keinen weiteren Anstieg zum 5-Jahres-Schnitt, sehr wohl aber zum 10-Jahres-Schnitt gegeben. Was die beiden Pandemiejahre betrifft, so fallen vor einerseits Au, Bezau, Bludesch, Dalaas und Damüls auf, wo es WENIGER Todesfälle gab als im Schnitt der Jahre davor. Andererseits sticht Bizau heraus, weil es einen starken Anstieg gab in den letzten zwei Jahren (allerdings kaum wegen C19) – das gleich gilt auch für Brand. Ebenfalls auffallend sind die Werte in Blons, wo es offensichtlich in den 5 Jahren von 2014 bis 2019 kaum Todesfälle gab, davor jedoch schon und in den letzten beiden Jahren besonders viele.

Teil 2

Bei den nächsten 18 Gemeinden gibt es einige mit recht hohem Anteil an C19-Todesfällen unter allen Verstorbenen: Fontanella ist eine der kleinsten Gemeinden, was EW betrifft – Hard und Höchst jedoch sind zwei der größten. Die durchaus erkennbaren orangen Säulen in Dornbirn und Feldkirch, den zwei Gemeinden mit den meisten EinwohnerInnen im Land, sind ebenfalls auffällig – eventuell sind diese wie auch andere mit der größeren Zahl an Pflegeheimen zu erklären. Das Krankenhaus als Sterbeort würde nur dann zum Tragen kommen, wenn die Menschen auch in der jeweiligen Gemeinde gemeldet sind.
Was die beiden Pandemiejahre betrifft, so sanken die Zahlen in Düns und Eichenberg relativ stark im Vergleich zu den Zeiträumen davor. Stark angestiegen sind sie hingegen in Dünserberg und auch Doren (in beiden gab es KEINE C19-Todesfälle) oder Höchst.

Teil 3

Bei den nächsten 18 Gemeinden fällt in Sachen Covid vor allem Reuthe auf – es wäre dort zwar ohne die offiziellen Covid-Todesfälle auch zu einem sehr leichten Anstieg gekommen, so ist er jedoch beachtlich. Auch in Satteins, Lustenau, und Rankweil sind die orangen Säulen auffallend hoch, wobei der Anstieg vor allem in Satteins auch ohne die offiziellen Covid-Todesfälle stark gewesen wäre.
Was die beiden Pandemiejahre betrifft, so fallen vor einerseits Hohenweiler, Innerbraz, Langenegg und Lorüns auf, wo es deutlich WENIGER Todesfälle gab als im Schnitt der Jahre davor. Andererseits stechen Langen bei Bregenz und Lingenau heraus, weil es einen starken Anstieg gab in den letzten zwei Jahren (allerdings kaum bzw. gar nicht wegen C19).

Teil 4

Bei den nächsten 18 Gemeinden fällt in Sachen Covid vor allem Krumbach auf – ohne die offiziellen Covid-Todesfälle hätte es interessanterweise viel WENIGER Todesfälle gegeben als im 5- oder 10-Jahres-Schnitt. Auch in Ludesch und Klösterle sind die orangen Säulen auffallend hoch, wobei es auch in Klösterle ohne die offiziellen Covid-Todesfälle einen noch stärkeren Rückgang gegeben hätte als es so schon der Fall ist. Was die beiden Pandemiejahre betrifft, so fallen vor einerseits Mellau, Raggal, Riefensberg und Schnepfau auf, wo es deutlich WENIGER Todesfälle gab als im Schnitt der Jahre davor. Andererseits sticht Schnifis heraus, weil es – ohne einen einzigen Covid-Todesfall – einen starken Anstieg gab in den letzten zwei Jahren.

Teil 5

Zuletzt sind 24 Gemeinden zusammengefasst, weil sonst 6 übrig bleiben würden. Hier fällt in Sachen Covid vor allem Schwarzenberg auf – ohne die offiziellen Covid-Todesfälle hätte es interessanterweise viel WENIGER Todesfälle gegeben als im 5-Jahres-Schnitt und auch weniger als im 10-Jahres-Schnitt gegeben. Auch in Schruns, Tschagguns und Zwischenwasser sind die orangen Säulen auffallend hoch, wobei es auch in Zwischenwasser auch ohne die offiziellen Covid-Todesfälle zu einem Anstieg gekommen wäre.
Was die beiden Pandemiejahre betrifft, so fallen vor einerseits Schwarzach, Thüringen, Übersaxen, Vandans und Viktorsberg auf, wo es deutlich WENIGER Todesfälle gab als im Schnitt der Jahre davor. Andererseits stechen Stallehr, St. Gerold, Silbertal und auch Warth heraus, weil es – in drei der vier Fälle ohne einen einzigen Covid-Todesfall – einen starken Anstieg gab in den letzten zwei Jahren.

Anderes

Was fällt bei einem Vergleich der drei Jahre 2019, 2020 und 2021 noch auf, wenn wir auf die offiziellen Zahlen des Landes Vorarlberg schauen?

Sterbemonat

Wenn wir das Jahr als Gesamtes betrachten, sterben bei uns immer mehr Menschen im Winter als im Sommer. Die drei Jahre unterscheiden sich allerdings: Während es 2019 vor allem im Jänner und Februar mehr Todesfälle gab und auch noch etwas mehr als im Schnitt im März und Dezember, sah es 2020 anders aus: Da waren zwar auch im Jänner mehr Tote als im Jahresschnitt zu beklagen, danach folgen jedoch der November und Dezember und dann noch der Februar. 2021 war es wiederum der Jänner, dann folgt der Dezember und auch der Februar, November und der März lagen über dem Schnitt.

Alter

Wenn wir nur auf die Gesamtzahlen schauen und die vorgegebenen Altersgruppen so belassen, wie sie im Bericht des Landes angeführt sind, dann war die Situation bei den Jugendlichen im Alter von 15 bis 19 Jahren besonders dramatisch: 2020 gab es einen Anstieg um 50%, im Jahr 2021 waren es sogar doppelt so viele Todesfälle wie im Jahr 2019. Auch bei den Erwachsenen im Alter von 35 bis 44 Jahren war es auffallend: Im Jahr 2020 haben sich die Todesfälle verdoppelt bzw. um 65% erhöht im Vergleich zu 2019. Im Jahr 2021 gab es bei den 35-39-Jährigen sogar mehr als doppelt so viele Todesfälle wie 2019.
Das sind allerdings „Momentaufnahmen“, bei denen ich mangels weiterführender Daten nur das Jahr 2019 als Bezugsquelle habe.

Familienstand

Wenn wir den Familienstand berücksichtigen, dann gab es sowohl bei den Ledigen, den Verheirateten, den Verwitweten als auch den geschiedenen einen Anstieg. Nur bei den Personen mit eingetragener Partnerschaft sank die – zugegebenermaßen sehr geringe – Anzahl an Todesfällen.

Lassen wir letztere (es handelt sich um maximal drei Todesfälle im Jahr) außer Acht, dann war der Anstieg bei den Ledigen und Verheirateten erstens höher als bei den Verwitweten oder Geschiedenen und zweitens stieg er von 2020 auf 2021 noch einmal an. Bei den Verwitweten und den Geschiedenen ging der Anstieg von 2020 auf 2021 wieder zurück.

Sterbeort

Wenn es darum geht, wo die Menschen sterben habe ich länger zurückliegende Daten bis zum jahr 2008.

Am meisten Menschen sterben in Vorarlberg im Krankenhaus oder Krankenanstalten – zwischen 38% und 43% aller Todesfälle ereignen sich dort. Wir sehen, dass im Jahr 2008 zwar weniger Menschen starben als 2021, allerdings anteilsmäßig mehr im Krankenhaus – damals waren es 42,9%, im Jahr 2021 42,1%. Zuhause verstarben immer zwischen 30% und 35%, am größten war der Anteil 2011 mit fast 35%. In den Heimen sind es zwischen 17% und 22% – am größten war der Anteil hier 2020 mit 21,9%. Zwischen 5% und 8% versterben an anderen Orten – am größten war der Anteil hier 2010 mit 7,77%.
Vorsicht bei dieser Grafik: Die Anzahl der Todesfälle ist hier NICHT pro EW berechnet, das heißt die steigende Zahl der EinwohenrInnen und das steigende Durchschnittsalter sind nicht berücksichtigt – es handelt sich um die reinen absoluten Zahlen!

Staatsbürgerschaft

Mehr als 90% aller Todesfälle in Vorarlberg betrafen in den letzten drei Jahren Menschen mit österreichischer Staatsbürgerschaft. Allerdings waren es 2019 noch mehr als 91%, in den letzten beiden Jahren nur mehr etwa 90%.

Von allem anderen Todesfällen entfallen die meisten auf deutsche StaatsbürgerInnen. Deren Anteil stieg auch kontinuierlich weiter an auf fast 3%. Der Anteil der Menschen mit türkischer Staatsbürgerschaft unter allen Todesfällen stieg von 2019 auf 2020 an, sank aber 2021 wieder ab – es sind ungefähr 2% aller Verstorbenen.
Danach folgen bosnische, serbische und Schweizer StaatsbürgerInnen vor all jenen, die unter „sonstige“ zusammengefasst sind beim Land. Während der Anteil der Bosnier und Serben ansteigt unter allen Verstorbenen, ist jener der Schweizer 2021 deutlich gesunken.

FAZIT

Laut den offiziellen Zahlen gab es nur wenige Gemeinden, in denen die offiziellen Covid-Todesfälle wirklich für einen Anstieg der Todeszahlen in den Jahren 2020 und 2021 im Vergleich zum 10- oder 5-Jahres-Schnitt vor 2020 geführt haben. Allerdings gab es durchaus einige andere Gemeinden, in denen es viel mehr Todesfälle gab als vor 2020.

In 66 Gemeinden – das sind mehr als zwei Drittel – stiegen die Todesfälle im Vergleich zum Fünfjahresschnitt an. Im Vergleich zum Zehnjahresschnitt davor waren es 65 Gemeinden.

Was mich überrascht hat, ist die Tatsache, dass bei den Sterbeorten die Todesfälle im Krankenhaus und auch den Heimen nicht stark zugenommen haben. Das spricht eher dafür, dass es durch Covid nicht zu einer Veränderung der Sterbeorte kam.

Und noch etwas zur Relation der Zahlen: In Vorarlberg verstarben pro Tag in etwa 9 Menschen am Tag im Jahr 2021. Etwa alle zwei Tage wurde eine Person davon als Covid-Todesfall klassifiziert. Mehr als 90% davon waren über 65 Jahre alt, ca. drei Viertel waren mindestens 75 Jahre.