Was 2,5 Grad Unterschied so ausmachen

Auf die letzten Beiträge gab es in den unsozialen Medien einige Reaktionen. Eine Anregung daraus habe ich aufgegriffen und mir die Stationsdaten der Hohen Warte nicht nur bei 30 Grad angesehen, sondern ab 20 Grad aufsteigend eine Reihe gemacht.
Das heißt, ich habe für 20°C, 22,5°C, 25°C, 27,5°C, 30°C und 32,5°C die historische Entwicklung dargestellt – und zwar jeweils nur für die 14-Uhr-Temperaturen, weil es anfangs noch keine Minima und Maxima gab.

Absteigende Reihe Wien

Ich beginne mit der höchsten Temperatur, die ich verwendet habe. Die Grafik unten zeigt, wie viele Tage mit MEHR als 32,5 Grad Celsius es in Wien laut den Aufzeichnungen gab. Neben den Einzeljahreswerten (dünne Linie) ist auch der 30-Jahres-Schnitt dargestellt (dicke Linie).

Bei den Einzeljahren hab es 1807 und 1834 10 Tage auf der Hohen Warte, wo es mindestens 32,6 Grad hatte. Im 30-Jahres-Schnitt, der 1834 am höchsten war, waren es pro Jahr knapp mehr als 2 Tage. Bis 1928, das Jahr, in dem der 30-Jahres-Schnitt am tiefsten lag, sank das ab auf 0,1 Tage – also praktisch keinen einzigen Tag mit mehr als 32,5 Grad. Und 2023 liegen wir bei 4,6 Tagen. Das heißt der Ø sank von 1834 auf 1928 um 2 Tage ab (und tiefer kann es da nicht gehen, weil das praktisch schon Null ist) und stieg von 1834 bis heute um gerundet 3 Tage.
Extremwert war das Jahr 2015 mit 22 Tagen (!) mit mehr als 32,5 Grad – das sind in Summe zwei Drittel eines Monats mit mehr als 32,5°C!
2023 fällt derzeit – obwohl alle Tage bis gestern bereits mit eingerechnet sind (Mo und Di waren zwei solche Tage!) – samt „Hochrechnung“ für den Rest des Jahres mit 5 Tagen fast genau in den 30-Jahres-Schnitt und ist seit dem „Extremsommer 2015“ das Jahr mit dem drittniedrigsten Wert. 2016 gab es KEINEN EINZIGEN Tag mit mehr als 32,5°C!

Das ist die Reihe, die ich in den anderen Berichten bereits verwendet habe. Das Jahr mit den meisten Tagen über 30 Grad war demnach 1834 mit 36 Tagen. 2015 mit 32 liegt nicht viel niedriger.
Der 30-Jahres-Schnitt lag wieder 1834 am höchsten bei 8,4 Tagen, sank bis 1928 auf 1,1 Tage und stieg bis heute auf 13,4 Tage. Das heißt es gab zuerst ein Minus von 7 Tagen im 30-Jahres-Mittel und bis heute im Vergleich zu 1834 ein Plus von 5 Tagen.
Das letzte Jahr OHNE Tag über 30 Grad auf der Hohen Warte in Wien war 1980. Das laufende Jahr liegt mit 14 solcher Tage wieder ziemlich genau im Schnitt der letzten 30 Jahre und zählt damit zu denen mit weniger Hitzetagen als die meisten der jüngeren Vergangenheit.

Wenn wir uns das Ganze mit 27,5 Grad ansehen, ergibt sich folgendes Bild: 1834 sind laut den offiziellen Aufzeichnungen 78 Tage mindestens 27,6 Grad warm gewesen um 14 Uhr. Aber auch falls dieses Jahr durch falsche Aufzeichnungen herausfallen würde, was ich nicht annehme, gab es 1811 mit 55 Tagen über 27,5°C mehr so warme Tage als im Jahr 2003, wo es in jüngster Vergangenheit am meisten waren. 2023 waren es – mit Hochrechnung für den Rest des Sommers auf Basis der letzten 5 Jahre – 30 – das ist knapp weniger als der 30-Jahres-Schnitt, der bei 31 Tagen liegt. Damit liegt dieser Ø um gerundete 7 Tage höher als der Wert von 1834. Im Jahr 1928 gab es wieder den absoluten Tiefpunkt im 30-Jahres-Mittel – der lag damals bei 5,1 Tagen. Das sind 19 weniger als 94 Jahre davor.

Bei 25°C ist ebenfalls das Jahr 1834 ganz vorne mit 98 Tagen, an denen es wärmer war. Der 30-Jahres-Schnitt lag damals bei 46,5 Tagen – das sind etwa eineinhalb Monate, in denen es um 14 Uhr mehr als 25 Grad hatte in Summe.
Dieser Schnitt sank bis 1928 auf 19 Tage ab – 27 Tage weniger.
Bis heute ist es auf fast 56 Tage gestiegen – das sind gerundet neun Tage mehr als 1834 mit mindestens 25,1°C auf der Hohen Warte um 14 Uhr.
Das wärmste Jahr zuletzt war 2018, als es 87 Tage gab, an denen 25 Grad überschritten wurden. im laufenden Jahr liegen wir mit 51 Tagen deutlich UNTER dem Schnitt. Ebenfalls erwähnenswert: 1912 gab es im ganzen Jahr nur 4 Tage, an denen es einen „Sommertag“ mit mehr als 25 Grad gab.

Noch einmal 2,5°C weniger: 120 Tage im Jahr 1834 waren laut den Aufzeichnungen an der Hohen Warte wärmer als 22,5 Grad. Das ergab damals im 30-Jahres-Mittel 77,4 solche Tage. 2023 sind es 84,3 im 30-Jahres-Mittel, also „nur“ sieben Tage mehr. Mit errechneten 73 solcher Tage für 2023 liegt das laufende Jahr deutlich unter diesem Schnitt.
Der niedrigste Schnitt war wieder im Jahr 1928, als es gerade einmal 45,5 Tage waren im Mittel der 30 Jahre davor. Und im Jahr 1913 gab es überhaupt nur 25 Tage im ganzen Jahr, an denen es wärmer als 22.5°C war um 14 Uhr!

Und wenn wir uns das jetzt noch mit 20 Grad ansehen, wird es noch auffälliger: Im Schnitt der 30 Jahre davor gab es 1834 etwas mehr als 111 Tage mit mehr als 20 Grad. Derzeit liegen wir mit knapp 116 nicht einmal 5 Tage darüber. Bis 1928 ist dieser Schnitt auf 78,5 Tage gesunken. Im Jahr 1902 waren es nur 56 Tage, an denen es mehr als 20 Grad hatte! Das „wärmste“ Jahr ist nun nicht mehr 1834, sondern 2018 – damals gab es 158 Tage – das sind gut 43% des Jahres – an denen es mehr als 20 Grad hatte. 2023 liegt mit 98 solcher Tage (wieder errechnet durch die Tage bis zum 22. August und mit dem Schnitt der letzten 5 Jahre für die Tage danach) WEIT unter dem Schnitt und auch deutlich unter dem 30-Jahres-Schnitt von 1834.

FAZIT

Bei allen Temperaturen von 20 bis 32,5 Grad, die ich zur Berechnung herangezogen habe, gibt es beim 30-Jahres-Schnitt für 2023 mehr warme Tage als jemals zuvor in den Aufzeichnungen seit 1775. Allerdings sind es bei den Tagen über 20 Grad weniger als bei den „Sommertagen“ (so werden die Tage mit mindestens 25 Grad definiert) für die 14-Uhr-Temperaturen. Dort sind es 9 Tage mehr als 1834, das bei ALLEN Temperaturen als der Höhepunkt der „Warmphase“ im 17. Jahrhundert angezeigt wird. Auffallend ist, dass der Abstand von diesem „Peak“ bis zum Tiefpunkt des 30-Jahres-Schnitts praktisch gleich lang ist wie der Abstand von diesem Niedrig-Stand bis heute. Wäre das eine Wellenbewegung – was ich nicht annehme – dann müssten wir derzeit gerade den Höhepunkt erleben, bevor es wieder nach unten geht.

Offensichtlich nimmt also die Anzahl der wirklich heißen Tage (+5 bei den Tagen über 30°C) gleich zu wie die Anzahl der Tage mit mehr als 20 Grad. Woran das liegen kann? Keine Ahnung – ich kann nur aufzeigen, dass es so ist. Und da es leide rnirgends in Österreich Daten gibt, die ebenfalls bis vor 1850 zurück reichen, kann ich auch nicht darstellen, wie das in anderen Regionen aussieht. Was ich ausschließe, ist, dass es hier in den Daten der ZAMG absichtlich „gefälschte Daten“ für die Jahre vor 1850 gibt. Und auch wenn damals vielleicht nicht alle Thermometer gleich präzise waren wie es heute der Fall ist, nehme ich doch an, dass auch damals die Wissenschaft in der Lage war, ein Thermometer richtig herzustellen und abzulesen… 😉

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Nachsatz

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