Die Sache mit dem Abwasser

Vorbemerkung

So sieht die erst Grafik heute aus, wenn sich jemand das Abwassermonitoring des Landes Vorarlberg anschauen will. Grundsätzlich eine interessante Sache, finde ich.

Wer dann ein wenig an den Zeiträumen herumsucht, kann auch die gesamte Pandemie anschauen – dann sieht das Ganze so aus:

Und wer nun den Zeitraum der letzten 6 Monate mit oben vergleicht, der merkt: Der sieht anders aus! Woran liegt das?

Das ist schnell erklärt: Offensichtlich wurde die Darstellung der Grafik so programmiert, dass der höchste Wert der Inzidenz und der höchste Wert der Virenlast im Abwasser immer “gleichgeschaltet” werden. Da ich das für problematisch halte, habe ich – was zum Glück möglich ist, die ganzen Daten heruntergeladen und selbst eine Darstellung gemacht.

Zuerst jedoch noch eine Grafik, die zeigt, was bei den Darstellungen des Landes passiert:

So sieht das Ganze zusammengefasst aus – der 100%-Punkt liegt bei allen innerhalb von wenigen Tagen rund um Mitte März 2022. Demnach war die Virenlast im vergleich dazu in Bregenz im November 2021 nur etwa 45% so stark. Im Sommer 2022 war sie in Meiningen mit über 60% auffallend hoch – allerdings eben nur im Vergleich zum Wert der Anlage im Februar 2022.

Die Daten dahinter

Wer sich die Daten ansieht, erkennt folgendes:

  • Es werden die sechs größten Abwasseranlagen (alle Größenklasse IV) des Landes erfasst, das sind (von Süden nach Norden folgende (in Klammer die durch die angeschlossenen Gemeinden erfassten EinwohnerInnen):
    • Ludesch (31.554)
    • Meiningen (60.113)
    • Hohenems (43.686)
    • Dornbirn (53.389)
    • Hofsteig (70.346)
    • Bregenz (33.189)
  • Nicht erfasst sind damit die beiden ebenfalls großen Anlagen Montafon und Walgau. Ebenfalls nicht untersucht werden die Anlagen der Größenklasse III in Lech, Egg, im Leiblachtal, Bezau, Vorderland, Riezlern, Rotachtal, Alberschwende, Warth und Bödmen (Mittelberg), die zusammen die Abwässer von weiteren 86.251 EinwohnerInnen erfassen.
  • Weiters nicht erfasst sind 14 Anlagen der Größenklasse II, vorweigend im Bregenzerwald, Großwalsertal und den beiden Gemeinden Buch und Laterns, sowie noch kleinere Anlagen wie die im Ebnit oder Kaltenbrunnen (Egg).
  • Das heißt, es sind insgesamt 292.277 Menschen erfasst – also fast zwei Drittel der Bevölkerung Vorarlbergs.
  • Begonnen wurde in den Anlagen ganz unterschiedlich mit dem Abwassermonitoring: Bereits im Juli 2020 Wurden in Hohenems und Bregenz die Daten erhoben. Kurze Zeit gab es im Dezember 2020 auch Daten aus Ludesch. Vollständig und durchgehend Daten von allen sechs großen Anlagen aus dem Land gibt es aber erst seit September 2021.

Und so sieht das Ganze aus, wenn wir die Daten ALLER Messstellen zusammen darstellen. OHNE Anpassung der Höhe. Dir durchgehenden Linien sind die Inzidenzen (ich habe diese so übernommen und nicht nachkontrolliert). Die gestrichelte Linien zeigen die Virenlast im Abwasser, so, wie sie in der Tabelle, die heruntergeladen werden kann, angegeben ist.

Was gleich auffällt, sind Unterschiede bei beiden Kurven – je nach Anlage. So ist zum Beispiel die oberste Linie bei der Inzidenzen zum Höhepunkt der Omikronwelle im März 2022 die aus Ludesch (rot). Deutlich niedriger ist die hellblaue Linie der ARA Hofsteig. Bei den Virenbelastungen in der ARA ist es jedoch genau umgekehrt – da ist die hellblaue Linie nach der von Bregenz die zweithöchste und die rote die niedrigste.
Darum war auch oben plötzlich Ludesch ganz anders eingezeichnet bei der Grafik vor diesem Kapitel – weil eben der Unterschied zwischen Inzidenz und Virenlast am größten war damals.

Diese Unterschiede sind sicher zu erklären (Abwassermengen, Niederschlag, Virusvarianten etc.) – allerdings halte ich aus dem Grund die angepasste Form der Kurvendarstellung auf der Homepage des Landes für verwirrend. Besser wäre es meiner Meinung nach, die Kurven alle auf dasselbe Niveau zu fixieren, da ja sowohl die Inzidenzen als auch die Virenlast wohl pro EW berechnet wird.

Diese Kurven zeigen nur die Virenlast aus den Anlagen seit beginn der Pandemie und so weit sie erfasst wurden – ohne die Inzidenzen. Demnach war wohl die Delta-Welle im Herbst 2021 nicht so viel geringer als sie dann bei den Inzidenzen abgebildet wurde. Denn genauso wie jetzt argumentiert wird, dass das Abwassermonitoring quasi die nachlassende Zahl der Tests “ersetzen” kann in der Beurteilung der Lage, könnte meiner Meinung nach auch umgekehrt argumentiert werden: Durch das extrem viele Testen im Frühjahr 2022 wurden die Inzidenzen extrem in die Höhe getrieben. In Bregenz, welches außer bei der Sommerwelle so gut wie imme rganz oben zu finden ist, war zum Beispiel auch die Herbstwelle im Herbst 2020 (die bisher gefährlichste von allen, wenn es um die Todesfälle geht) recht hoch.

Schauen wir uns doch einmal die Zeit seit dem 1. Juni 2022 genauer an:

Offensichtlich war die Virenlast bei der “Sommerwelle” in Meiningen am höchsten, gefolgt von Bregenz und Hofsteig. Dornbirn, Hohenems und Ludesch lagen nur etwa halb so hoch wie Meiningen. Ich denke nicht, dass diese Unterschiede durch Regenfälle erklärt werden können, dafür sind die Anlagen zu nahe beieinander und zudem ist Meiningen ZWISCHEN den drei Anlagen mit den niedrigsten Belastungen.

Derzeit steigen die Werte vor allem in Hohenems, aber auch in Dornbirn und Hofsteig, während sie in Bregenz und Meiningen zurückzugehen scheinen und in Ludesch gab es seit Schulbeginn bisher KEINE Auffälligkeiten.

Und so sehen die dazu herausgegebenen Inzidenzen des Landes aus für die jeweiligen Abwasserverbände: Hier ist Ludesch ganz OBEN zu finden zur Zeit, allerdings ebenso wie Meiningen mi sinkender Tendenz. In den anderen 4 Regionen seteigen die Kurven stark an. Ludesch ist zudem auch bei der “Sommerwelle” ganz oben, obwohl es beim Abwasser unten zu finden ist.

FAZIT

Ich finde es interessant, dass es doch deutliche Unterschiede zwischen den Inzidenzen und den Virenbelastungen in den Abwässern der einzelnen Regionen gibt. Und gleichzeitig frage ich mich auch: Wenn doch die Abwassermonitoring-Geschichte so ähnlich ist zum Verlauf der Inzidenzen: WARUM brauchen wir dann das aufwändige, teure, personalintensive und auch durch die Inhaltsstoffe zuletzt in Frage gestellte Testen noch? Würde es nicht reichen, wenn das Abwassermonitoring zur “Überwachung” genutzt wird und wie viel Geld könnte damit gespart werden?

Natürlich sollen Tests weiterhin niedergelassenenen ÄrztInnen und Gesundheitseinrichtungen zur ärztlichen Diagnose-Abklärung zur Verfügung stehen. Warum es allerdings “Covid-Fighters” brauchen sollte in Schulen, ist mir ein Rätsel.