Die Pandemie und der Tod – Teil 4

Vorbemerkung

Gestern habe ich wohl den einen oder die andere verwirrt mit meinen Betrachtungen zur Übersterblichkeit bzw. Untersterblichkeit während der Pandemie. Ich versuche es heute besser zu machen.

Die Datenquellen, die ich für diese Zahlen verwendet habe, sind Zahlen der Statistik Austria und der AGES. Die Daten sind immer nach Altersgruppen und Geschlecht getrennt und zudem pro 100.000 Menschen gerechnet, damit alle Gruppen verglichen werden können.

Eine Grafik für alles

Schauen wir daher einfach einmal auf die Sterblichkeit generell, ohne die Corona-Verstorbenen im Speziellen. Auf dieser Grafik sehen wir in schwarzen (2020) und violetten (2021) Säulen die Todesfälle pro 100.000 Menschen. Davor (blau) gibt es eine Säule, die zeigt uns die Sterblichkeit der 5 Jahre vorher im Schnitt. Wichtig sind jetzt die gelben (2020) und blauen (2021) Punkte, denn die geben uns an, um wie viel die Sterblichkeit pro Altersgruppe höher oder niedriger war als im Schnitt der fünf Jahre vor der Pandemie.

Wir sehen Folgendes:

  • Bei den Kleinkindern unter 5 Jahren gab es in beiden Jahren eine Untersterblichkeit, die 2021 deutlich höher war als 2020.
  • Bei den Kindern von 5 bis 14 Jahren gab es 2020 eine minimale Übersterblichkeit, 2021 ebenfalls eine starke Untersterblichkeit.
  • Jetzt schauen wir auf die Jahre und nicht mehr auf die Altersgruppen getrennt. Sofort fällt auf, dass ab 15 Jahren im vergangenen Jahr 2021 ÜBERALL deutlich MEHR Menschen verstarben als im Fünfjahres-Schnitt. Das würde bei den jüngeren Altersgruppen nicht auffallen ohne diese Prozentangaben, weil die hohen Zahlen bei den älteren Menschen die Säulen bei den Jüngeren praktisch unsichtbar machen.
  • Daher habe ich hier die Grafik auf die Altersgruppen unter 45 beschränkt. Nun erkennen wir gut, dass bei den Menschen von 25 bis 44 in beiden Altersgruppen die Zahlen stetig zunahmen.
  • Hier nun die Menschen ab 45 Jahren. Bei den unter 55-Jährigen fällt aus, als dass sie als einzige im Jahr 2020 weniger Todesfälle hatten als im Fünfjahres-Schnitt. Dafür gab es vergangenes Jahr fast 10% Todesfälle mehr als in den Jahren 2015 bis 2019.
  • Ähnlich war es bei den Menschen im Alter von 55-64 Jahren. Nur gab es dort in beiden Jahren eine Übersterblichkeit, die 2020 jedoch eher gering war.
  • Die allergrößte Differenz zum Schnitt ergab sich bei den Menschen im Alter von 65-74 Jahren. Ein Plus von 15,47% heißt, dass es im Schnitt pro 6,5 Verstorbenen einen zusätzlichen Toten gab.
  • Bei den Menschen von 75 bis 84 Jahren gab es im Jahr 2020 den größten Unterschied zum Schnitt. Nirgends sonst nahm die Zahl so zu wie hier. Auch 2021 waren es immer noch deutlich über 11% mehr.
  • Bei den Menschen ab 85 – also den ältesten EW von Österreich ist der Zuwachs (und ein solcher bleibt es trotzdem!) gegenüber dem Schnitt zurück gegangen. Fast genau 7.5% mehr Todesfälle sind deutlich weniger als 2020, wo es noch 12% waren.

Ein genauerer Blick auf 2021 – vor allem die Männer

Wenn ich nun das Jahr 2021 genauer betrachte (ich habe alle Grafiken dazu), fällt sofort auf: Die Übersterblichkeit ist vorwiegend männlich! Das soll heißen, es sind vor allem die männlichen Altersgruppen, in denen mehr Menschen starben als im Schnitt. Daher schauen wir uns diese genauer an ab dem Alter von 15 Jahren – Es handelt sich hier immer um 4-Wochen-Abschnitte, also nicht Monate, weil die Monatsgrenzen nicht mit den Wochen zusammenfallen und daher nicht so gut darzustellen sind:

Bei den Jugendlichen und Männern von 15-24 Jahren sehen wir deutliche „Wellen“ bei der Sterblichkeit. Es gab 2021 bei den ♂ in dieser Altersgruppe um 16,25% mehr Todesfälle (siehe Zahl mit orangem Hintergrund) als im Schnitt der 5 Jahre vor der Pandemie. Nur zum Jahresbeginn und in den Kalenderwochen 41-44 (entspricht dem Oktober) waren es weniger. Am größten war der Unterschied in den KWs 13 bis 20 (April & Mai). Dass Corona hier keine wichtige Rolle spielt, sehen wir an der gestrichelten Linie, das sind die Todesfälle OHNE die C19-Verstorbenen.

Noch höher war die Übersterblichkeit bei den Männern von 25-34 Jahren. 17,78% Todesfälle mehr sind die höchste Zahl ALLER Altersgruppen! Was hier auffällt ist eine Untersterblichkeit in den Wochen 17-20 (Mai), und 25-28 (Ende Juni bis Mitte Juli). Sonst lag die Sterblichkeit IMMER über dem Schnitt. Dass Corona hier keine wichtige Rolle spielt, sehen wir an der gestrichelten Linie, das sind die Todesfälle OHNE die C19-Verstorbenen.

Auch bei den Männern von 35-44 Jahren gab es mit 14,92% mehr Todesfällen als im Schnitt eine deutliche Übersterblichkeit – allerdings weniger als bei den 15-24 Jahre alten Geschlechtsgenossen. Was hier auffällt ist eine Untersterblichkeit in den Wochen 5-20 (Februar bis Mai) danach sinkt die Linie nie mehr wirklich an den Schnitt. Corona spielte nur in der Zeit um den November herum eine Rolle, aber nicht in der Phase der größten Übersterblichkeit von Ende Mai bis Mitte August.

Auch wenn es bei den Männern von 45-54 Jahren nicht so aussieht, lag mit 11,92% mehr an Todesfällen als im Schnitt auch hier eine deutliche Übersterblichkeit vor. Die erste Phase gab es von März bis Juni, die zweite und deutlichere on den letzten 8 Wochen des Jahres. Auch wenn hier durchaus einige C19-Verstorbene dabei waren in beiden Phasen, ist doch der größere Teil mit Sicherheit nicht auf Covid zurückzuführen. In den letzten 4 Wochen etwa waren maximal ein Drittel aller Fälle C19-Verstorbene.

Nur Anfang des Jahres gab es bei den Männern von 55-64 Jahren eine Untersterblichkeit. Das ist umso verwunderlicher, als es in dieser Altersgruppe am Ende des Jahres 2020 eine AUSGEPRÄGTE Übersterblichkeit gab, die aber nicht ins Jahr 2021 reichte. Wie bei der nächstjüngeren Altersgruppe gab es auch hier eine deutliche Übersterblichkeit von März bis Juni. Danach war die Kurve fast wie im Schnitt, bevor sie ab Mitte September wieder ansteigt. Vor allem im November war sie um 60% höher als m Schnitt. Maximal 43% davon waren durch Covid bedingt. Im Gegensatz zu den jüngeren Männern sinkt die Übersterblichkeit in den letzten 4 Wochen des Jahres deutlich ab.

In der Altersgruppe der Männer von 65-74 Jahren gab es insgesamt 10,63% mehr Todesfälle als im Schnitt. Anfangs des Jahres gab es diese eher durch die C19-Verstorbenen (ohne diese wäre die Linie fast immer im/unter dem Schnitt). Ab Mitte August jedoch begann eine neue Phase mit mehr Todesfällen, und hier liegt die gestrichelte Linie (Todesfälle OHNE C19-Tote) deutlich über der grauen Fläche des 5-Jahres-Schnitts. So wie bei den 55-64 Jahre alten Männern war sie vor allem im November höher als m Schnitt, hier um 68,5%! Maximal 37,5% davon waren durch Covid bedingt. Auch hier sinkt die Übersterblichkeit in den letzten 4 Wochen des Jahres ab, bleibt aber mit 29% durchaus erheblich.

In der Altersgruppe der Männer von 75-84 Jahren ereigneten sich mehr als 35,5% aller Covid-Todesfälle des Jahres 2021 bei den Männern. Mit 12,34% mehr Todesfälle als im Schnitt gab es hier mehr zusätzliche Todesfälle als bei den 65-74 Jahre alten Geschlechtsgenossen. Auch hier kann diese anfangs des Jahres eher durch die C19-Verstorbenen erklärt werden. Ab Mitte September begann eine neue Phase mit einem Mehr an Todesfällen, und hier liegt die gestrichelte Linie (Todesfälle OHNE C19-Tote) nun deutlich über der grauen Fläche des 5-Jahres-Schnitts. Maximal 42,5% davon im November beim Höchststand der Welle durch Covid bedingt. Die Übersterblichkeit ist hier in den letzten 4 Wochen des Jahres mit 14,5% deutlich niedriger.

Die ältesten unter den Männern in der Altersgruppe der Männer ab 85 Jahren hatten mit 9,31% al einzige aller männlichen Altersgruppen weniger als 10% mehr Todesfälle als im Schnitt. Trotzdem ereigneten sich 2021 29% aller bisherigen C19-Todesfälle unter Männern in dieser Altersgruppe. Hier gab es nur in den ersten 4 Wochen des Jahres eine Übersterblichkeit, die ev. durch die C19-Verstorbenen erklärt werden kann. Danach war es 8 Wochen so, dass weniger Menschen als im Schnitt verstarben. Ehe es im April und Mai abermals zu einer Übersterblichkeit kam. Mitte Juli bis Mitte August gab es wieder eine Übersterblichkeit, allerdings ohne Covid-Todesfälle (bei den gleichaltrigen Frauen gab es zur gleichen Zeit KEINE Übersterblichkeit, sondern weniger Todesfälle!). Die Übersterblichkeit ab Mitte Oktober ist nur zu einem kleinen Teil durch C19-Todesfälle erklärbar und sinkt in den letzten 4 Wochen deutlich ab. Maximal 30,9% der im November mit 46,6% deutlichen Übersterblichkeit sind durch Corona-Todesfälle erklärbar.

Bei den Frauen gab es im Jahr 2021 nur EINE Altersgruppe mit einer Zunahme der Todesfälle um mehr als 10%: Die Frauen im Alter von 65-74 Jahren, wo es 15,61% mehr Todesfälle gab. Ein Blick auf diese Kurve zeigt, dass diese quasi das gesamte Jahr hindurch entstanden ist mit einem Schwerpunkt auf den letzten 8 Wochen des Jahres. Gut zu erkennen: nur im Februar gab es eine kurze Zeit mit einer Untersterblichkeit. Am stärksten war die Zunahme im November mit einem Plus von 48% – damals waren maximal 46% durch Coronatodesfälle bedingt.

FAZIT

Es gab auch 2021 eine deutliche “Übersterblichkeit” (also mehr Todesfälle als im Schnitt der Jahre zuvor bzogen auf jeweils 100.000 EW der jeweiligen Altersgruppen – damit ist die Altersentwicklung der Bevölkerung automatisch mit einberechnet!). Vor allem bei den Männern ab 15 Jahren ist das gut zu erkennen. Wirklich auf Corona alleine zurückzuführen ist sie aber in keiner der Altersgruppen, auch nicht den ältesten. Ich kann und will nicht spekulieren, was sonst die Gründe sein können – dazu bräuchte es ein großes Team Fachleuten, die sich das anschauen und alle Einzelfälle auf die Todesursachen hin anschauen innerhalb der einzelnen Altersgruppen. Da wird auch die Todesursachenstatistik der Statistik Austria im Sommer keine Hilfe bieten, denn dort gibt es weder Altersgruppen noch zeitliche Gliederungen.