Todesursachen: Die Selbstmorde

Vorbemerkung

Wenn mich meine Lieblingsfilmemacherin Patricia (www.schutzfilm.com) bittet, mir eine bestimmte Kategorie genauer anzusehen, mache ich das, wenn ich Zeit habe, gerne.

Gestern Nacht habe ich einen Text zu den Todesursachen von 1970 bis 2021 veröffentlicht. Heute geht es nur um eine isolierte Todesursache: Die Selbst-Tötungen und Selbst-Beschädigungen.

Die gesamten Zahlen sind pro 100.000 EW gerechnet, um sie vergleichbar mit den anderen Daten von gestern zu machen. Außerdem habe ich mir hier die Altersgruppen noch genauer angesehen. Richtigerweise, wie Stefano, ein Arzt, Gutachter und ehemaliger Amtsarzt heute angemerkt hat bei mir auf Facebook, sind die Todesursachen sehr ungenau – ich denke, das trifft für die Selbstmorde besonders zu, da manche wohl kaum als solche erkannt werden, es kein Interesse daran gibt, diese Zahlen hoch zu halten und ein Todesfall wohl nur mit absolut eindeutigen „Beweisen“ für einen Selbstmord als solcher klassifiziert wird. Wichtig ist hier auch, dass es sich um TODESFÄLLE handelt. Zahlen zu den Selbstmordversuchen und -gedanken gibt es bei diversen Untersuchungen und Studien genügend – wir wissen, dass die Versuche und Gedanken in den letzten beiden Jahren extrem stark zugenommen haben. Hoffen wir, dass nun endlich wieder Ruhe einkehrt in Sachen Isolierung, Maßnahmen etc. und sich diese Situation wieder beruhigt!
Die Datenquellen sind wie immer bei den Grafiken angegeben!

Die Jahre ab 1970

Pro 100.000

Als erstes folgt hier dieselbe Grafik wie beim Text von gestern:

Sie zeigt uns – jeweils umgerechnet auf den Bevölkerungsstand zu Jahresbeginn des jeweiligen Kalenderjahres – wie viele Menschen von 100.000 EinwohnerInnen verstorben sind. Hellrot hervorgehoben ist immer das Jahr, in welchem anteilsmäßig am meisten Menschen verstarben, dunkelgrün angezeigt wird uns das Jahr mit den wenigsten Todesfällen seit 1970. Wenn wir also ALLE Altersgruppen zusammen betrachten, dann war das Jahr 1987 mit 28 Selbstmorden auf 100.000 EW (= 0,028%) das mit den meisten Suiziden, das Jahr mit den wenigsten Selbstmorden war 2020 mit 12 Fällen pro 100.000 Menschen. Die orange Linie zeigt uns den Schnitt der letzten 5 Jahre – sie beginnt daher auch erst mit dem Jahr 1974. Den niedrigsten 5-Jahres-Schnitt gab es 2021 mit 13 Todesfällen pro 100.000 EW, den höchsten gab es 1987 mit 27,4.

Diese zweite Grafik zeigt den Unterschied des jeweiligen Jahres zum 5-Jahres-Schnitt davor. Weil jedoch die beiden Pandemiejahre „besonders“ sind, gibt es ganz am Schluss zwei Säulen für das Jahr 2021 – einmal im vergleich zum Schnitt der Jahre 2016 bis 2020 und einmal im Schnitt zu den fünf Jahren vor der Pandemie, also 2015 bis 2019. Die zweite Säule ist erkennbar durch eine schraffierte Füllung.

Wir sehen hier, dass bis auf das Jahr 1976 die Zahlen bis 1986 immer anstiegen. Danach sanken sie mit Ausnahme der Jahre 2013 und 2014 immer ab. 2020 ist neben dem Jahr 2006 das mit dem größten Rückgang, 2021 liegt im Vergleich mit der Zeit vor der Pandemie ebenfalls unter den 10 Jahren mit dem größten Rückgang.

Selbstmorde nach Altersgruppen

Nun folgen die Zahlen der Jahre 2016 bis 2021 nach Altersgruppen. Leider habe ich von den Jahren davor keine Angaben finden können.

Selbstverständlich gab es in der Altersgruppe bis zu einem Jahr KEINEN Fall eines Selbstmordes – in der Altersgruppe der 1 bis 9-Jährigen gab es einen einzigen Fall im Jahr 2019 – dieser ist somit bei den Zahlen nicht wirklich erkennbar. Alle anderen Gruppen sind sichtbar in der folgenden Grafik.

Wir sehen, dass in den 4 Jahren VOR der Pandemie die Zahl der Selbstmorde mit zunehmendem Alter anstieg, bei den Menschen ab 90 jedoch bis auf eine Ausnahme niedriger war als bei den 80-89-Jährigen.

Das hat sich in der Pandemie vollkommen geändert und in der Altersgruppe der Menschen ab 90 Jahren gab es die meisten Selbstmorde pro 100.000 Menschen unter allen Altersgruppen. Das heißt übrigens NICHT, dass dort absolut gesehen die meisten Selbstmorde passiert sind, sondern es geht hier um den ANTEIL der Gruppe, der Suizid begangen hat!
Ebenfalls auffallend sind die Menschen im Alter von 50-59 Jahren, wo 2016 und 2019 mehr Selbstmorde passierten als bei den 60-69-Jährigen. Das ist neben dem „Bruch“ bei den 30-39_Jährigen im Vergleich zu den 40-49-Jährigen im Jahr 2019 das einzige Mal, dass eine jüngere Altersgruppe (bis zu den 89-Jährigen) mehr Todesfälle pro 100.000 Menschen aufzuweisen hat als die nächstfolgende ältere Gruppe.

Wenn wir die Jahre 2016 und 2021 vergleichen in Sachen „Altersverteilung pro 100.000 Menschen der Gruppe“, dann hat sich einiges verändert:

Waren 2016 „nur“ 46% über 80 Jahre, so waren es 2021 ganze 53%! Weniger wurde der Anteil vor allem bei den Menschen im Alter von 50-59 Jahren.

Vergleich zum Vorjahr

Werfen wir noch einen Blick auf die Veränderungen bei den Suiziden im Vergleich zum Vorjahr – ich habe die Skalen jeweils so angepasst, dass der Plus- und der Minus-Bereich immer gleich groß sind pro Altersgruppe. Das zeigt die Dimensionen besser:

Menschen ab 70 Jahren

Während die Zahlen bei den Menschen von 80 bis 89 Jahren eher zurück gingen ab 2019 und bei den Menschen von 70 bis 79 Jahren nach zwei Jahren Rückgang die Zahlen 2021 wieder anstiegen, zeigt sich bei den Menschen ab 90 ein anderes Bild. Nach einem Rückgang 2019 gab es 2020 und 2021 Zunahmen – extrem stark war diese Zunahme 2020 mit mehr als 53%! Das ist DEUTLICH mehr als der Rückgang des Vorjahres! Da es sich hier um ABSICHTLICHE Selbstschädigungen und -tötungen handelt, kann dieser Fakt auch nicht auf „weniger Pflege“ im Sinne von unbeabsichtigten Selbsttötungen geschoben werden.

Menschen von 40 bis 69 Jahren

Bei den Menschen von 40 bis 69 Jahren gibt es sehr unterschiedliche Entwicklungen der Zahlen zu den Vorjahren. Die stärksten Steigerungen gab es 2020 (40-49 Jahre), 2019 (50-59 Jahre) bzw. 2020 (60-69 Jahre). Allerdings gab es meistens in den Jahren davor oder danach eine Gegenbewegung mit weniger Fällen.

Menschen von 10 bis 39 Jahren

Jeder Selbstmord ist tragisch. Ich persönlich halte die von jüngeren Menschen immer für noch dramatischer als die von älteren Menschen. Darum sind die Zahlen bei den Kindern und Jugendlichen von 10 bis 19 Jahren besonders traurig. Dort gab es – nach einem starken Rückgang 2019 im Vergleich zu 2018 – in den beiden Pandemiejahren starke Zuwächse. Da es 2020 bereits mehr als 61% (der stärkste Zuwachs aller Altersgruppen!) Zuwachs zum Vorjahr gab, die weitere Steigerung von 13.4% im Jahr 2021 durchaus dramatisch zu sehen. Bei den 20-29 Jahre alten Menschen gab es 2021 einen starken Zuwachs von über 32% – in den Jahren davor jedoch starke Rückgänge. Auch bei den 30-39-Jährigen gab es 2021 einen Zuwachs im Vergleich zu 2020, wo es einen starken Rückgang der Suizide gab.

FAZIT

Sowohl bei den ältesten Menschen als auch bei den jüngsten gab es in meinen Augen dramatische Entwicklungen bei den Suizidzahlen. Wie oben schon geschrieben, sind hier nur die Fälle erfasst, die erfolgreich und eindeutig Selbstmorde waren.

Ich persönlich bin überzeugt davon, dass hier auch die Vereinsamung, die Stigmatisierung einzelner Gruppen und die sich damals schon abzeichnende negative Entwicklung in Sachen Teuerung abzeichnet. Hoffen wir, dass die Inflation und andere „Bedrohungsszenarien“ diese Zahlen nicht noch weiter ansteigen lassen im laufenden Jahr 2022!