Babyboom und Zusammenhalt gefördert?

Wer die letzten Tage die Medien durchforstet hat, stieß – wie schon oftzuletzt – auf auffallend ähnliche Schlagzeilen:

https://kurier.at/chronik/oesterreich/das-zweite-corona-jahr-brachte-einen-babyboom/402240537
https://www.vn.at/vorarlberg/2022/12/28/babyboom-im-zweiten-coronajahr.vn

Ähnliche Meldungen gab es auch im Jänner 2022 in Deutschland:

https://www.westfalen-blatt.de/owl/baby-boom-im-zweiten-corona-jahr-2515679?pid=true

Wer mich kennt, weiß, dass mich solche Aussagen geradzu herausfordern, mir die Zahlen anzuschauen. Vor allem fand ich es „spannend“, dass nun sogar die Pandemie den Zusammenhalt gefördert haben soll:

Laut dem Ressort von Familienministerin Susanne Raab (ÖVP) förderte Corona den Zusammenhalt, denn es gab weniger Scheidungen.

https://www.vn.at/vorarlberg/2022/12/28/babyboom-im-zweiten-coronajahr.vn

Schauen wir uns das Ganze also einmal anhand der österreichischen Zahlen der Statistik Austria an:

Babyboom?

Der erste Blick

Das sind sie, die Geburten der letzten 4 Jahre. Ist also eindeutig eine „Geburtenschwemme“, oder? Es sind immerhin laut offiziellen Zahlen der Statistik Austria mehr als 2,9% MEHR Geburten als 2020. Und damit niemand sagt, dass damals – es hatten ja anfangs viele Angst und Bedenken wegen der Pandemie und darum gab es wohl weniger Kinder als zu erwarten gewesen wären – die Zahlen sehr niedrig waren, haben wir ja auch noch 2019 (+1,4%) und 2018 (+0,7%) mit dabei.

Der zweite Blick

Nun habe ich im Laufe der Pandemie gelernt, „größer“ zu denken und zu schauen – also blicken wir doch einmal auf den Datensatz seit 2000:

Auch wenn wir die Jahre ab dem Millenium ansehen, ist die Schlagzeile noch vertretbar. Okay, wir hatten 2016 und 2917 deutlich mehr Geburten als 2021, alle anderen Jahre lagen dennoch tiefer.

Der dritte und genaue Blick

Blicken wir doch einmal auf ALLE verfügbaren Daten zu den Geburten, die ich finden konnte bei der Statistik Austria:

Oha, vor 1997 gab es nur mehr EIN Jahr, in dem es weniger Geburten gab als 2021 – das war 1978. Und 1970 waren es ganze 27.055 MEHR als im vergangenen Jahr. Nun wäre es natürlich interessant, Zahlen zum schon fast beendeten Jahr 2022 zum Vergleich parat zu haben – gibt es jedoch noch keine.

Dafür schauen wir uns die Zahlen noch etwas genauer an:

Die rote Linie zeigt und an, wie vielen Prozent der Gesamtbevölkerung die Geburten entsprechen. Waren es 1970 noch etwa 1,5%, so liegen wir seit 1999 mit Ausnahme von 2017 (1,0%) immer unter einem Prozent. Nun könnten wir ja einwenden, dass die ältere Bevölkerung (die ja immer größer wird), keinen Einfluss auf die Geburten hat. Darum habe ich die Menschen unter 15 und über 55 weg gelassen bei der nächsten Kurve – da es hier nur Daten ab 1982 gibt zu den Altersgruppen, fehlt die grüne Linie davor:

Wenn wir also die Altersgruppen nehmen, in denen sich mit ganz wenigen Ausnahmen alle Mütter befinden, so entsprach die Zahl der Geburten 1981 etwa 2,3% aller Menschen dieser Altersgruppen. Dieser Wert sank auf 1,6% ab bis 2001, blieb dann lange in etwa dort, um seit 2013 bis 2017 auf etwa 1,8% zu steigen. Und da befindet sich dieser Wert seither in etwa.

Eine Frage kann ich ebenfalls noch beantworten durch die Daten, die zur Verfügung stehen: Wie viele der Babys waren bei ihrer Geburt österreichische StaatsbürgerInnen?

Das zeigen uns die blauen Quadrate. War die Zahl in den 70ern noch nahe der absoluten Zahl an Geburten, so sank sie bis 2001 immer mehr ab und bewegt sich seither im Bereich unter der roten Linie.

Weitere Einblicke zu den Geburten

Diese Grafik zeigt uns die Veränderung der Geburtszahlen zum Vorjahr und zum Schnitt der zehn Jahre vorher (ab 1980) an.
Bei den Jahresvergleichen sehen wir bis etwa 2000 wellenförmige Bewegungen. Nach mehreren Jahren mit Rückgängen folgten immer wieder Jahre mit Anstiegen. Ab 2001 wechselte das teilweise von Jahr zu Jahr – von 2012 weg gab es dann bis 2016 durchgehend steigende Zahlen, danach von 2017 bis 2020 sinkende. Dass 2021 steigende Zahlen hat nach 4 Jahren mit sinkenden Zahlen, ist daher nicht so verwunderlich.
Beim Zehnjahresschnitt sehen wir im Grunde genommen drei „Wellen“ mit dem Tiefstpunkt im Jahr 2001 und dem Höchstpunkt 2016.

Staatsangehörigkeit der Kinder

Das sind die oben schon angesprochenen Zahlen zur Staatsangehörigkeit der Kinder bei der Geburt: bis 1991 waren immer mindestens 90% aller Babys bei der Geburt schon österreichische StaatsbürgerInnen. Dann stieg der Anteil der ausländischen Staatsbürgerschaften bis 2017 auf über 20% an, wo er seither ungefähr bleibt.

Hier sehen wir das ganze vergößert dargestellt. Was eindeutig zu erkennen ist, sind die vielen Kidner mit einer Staatsbürgerschaft aus einem anderen europäischen Land.

Wenn wir die österreichischen Staatsbürgerschaften weg lassen, sieht es so aus:

Nur anfangs der 80er-Jahre gab es kurz mehr als 50% Babys, die keine Staatsbürgerschaft aus Europa hatten. Seither steigt dieser Anteil wieder und liegt derzeit bei etwa 70%. Vor 1984 waren die Angaben noch etwas ungenauer, seither habe ich auch Zahlen zu den verschiedenen Kontinenten (die waren davor wohl bei der Gruppe „unbekannt“ erfasst) – die Zahlen von Asien gibt es schon seit 1974. Ungefähr 20% der Kinder mit nicht österreichischer Staatsbürgerschaft werden einem asiantischen Land zugeordnet. Aller anderen Erdteile haben deutlich geringere Zahlen.

Das Alter der Eltern

1970 war die Mutter bei der Geburt im Schnitt 26 Jahre alt, der Vater fast 30. Bis 1982 sanken diese Zahlen leicht ab, danach stiegen sie an. Der „Knick“ bei den Männern stammt daher, dass vor 2014 bis zu 42% der Väter altersmäßig nicht erfasst waren. Derzeit liegt das durchschnittliche Alter der Mütter bei 31 Jahren, das der Männer bei 34 – das heißt, die Mütter sind um 5,5 Jahre älter als vor 40 Jahren und die Väter um 4,5.

Das sind die gesammelten Zahlen seit 1970. Fast genau 64% aller Mütter waren bei der Geburt älter als 15 und jünger als 30 und nur 2,35% waren älter als 40 Jahre.

Bei den Männern ist das Alter von fast 23% der Väter nicht bekannt. Knapp ein Drittel aller Väter war zwischen 15 und 30 Jahren und 2,6% älter als 40.

Wenn wir uns die Altersverteilung hier ansehen, können wir auch die Totgeburten zuordnen: So gab es bei den wenigen Müttern im Alter von 10-14 Jahren etwa 1% Totgeburten, dieser Wert sinkt dann bis zu den 25-29 Jahre alten Müttern auf 0,41% ab. Dann steigt er bis zu den 45-49-Jährigen auf 1,86% an, um danach auf 0% zu fallen bei den 35 Geburten seit 1970, bei denen die Mütter 55 bis 59 Jahre alt waren. Bei den 9 Geburten mit Müttern im Alter von 60 bis 64 Jahren gab es einen Todesfall (=11,11%), das einzige Kind, das eine Mutter hatte, die bei der Geburt bereits mindestens 65 Jahre alt war, war eine Lebendgeburt im Jahr 2007.

Bei den Vätern sieht das so aus: Die 5 Geburten, bei denen der Vater unter 15 Jahre alt war, waren alle Lebendgeburten, zwei davon 1970, die anderen drei zwischen 2015 und 2020. Danach sieht die Kurve ähnlich aus wie bei den Frauen: Von einem Wert von 0,53% (15-19 J) sinkt die Kurve auf 0,41% (30-34 J) und steigt dann bis zum Alter von 60-64 Jahre alten Vätern auf 1,01% an. Alle Babys, deren Väter älter als 75 waren, waren Lebendgeburten – das sind immerhin 78 Babys seit 1970! Die ältesten Väter haben zwei Babies (Zwillinge?) aus dem Jahr 2020 – deren Vater war bei der Geburt schon mindestens 95 Jahre alt! Bei einem Baby im Jahr 2016 gab es einen Vater im Alter von 90 bis 94 Jahren.
Bei den Babys, wo das Alter des Vaters unbekannt war, gab es 0,55% Totgeburten.

FAZIT GEBURTEN

Ja, im Vergleich zu den letzten 4 Jahren sind die Geburten 2021 gestiegen. Allerdings nicht „extrem“ – und dass sie im Vergleich zum ersten Pandemiejahr (2020) gestiegen sind, dürfte niemanden verwundern.
Auch im Vergleich zu den Jahren seit 2000 sind die Zahlen gestiegen – allerings gab es 2016 und 2017 einen „Peak“ – was 2022 bringen wird, bleibt noch im Dunkeln.
Im Vergleich mit den „Babyboomer-Zeiten“ sind die Geburten stark zurückgegangen – daher würde ich dieses Wort „Boom“ hier nicht verwenden. Und wenn wir vom Durchschnittsalter der Eltern ausgehen (derzeit zwischen 30 und 35), dann wird die Zahl der Babys wohl wieder sinken, denn da kommen jetzt einige sehr schwache Geburtsjahrgänge ins typsiche „Elternalter“ – das können auch die Zunahmen bei den Babys mit Staatsürgerschaften aus anderen Ländern nicht ausgleichen.

Die Scheidungen

Die erste Frage, die sich mir stellte, als ich las, dass es weniger Scheidungen gab im Jahr 2021 war die nach der Dauer von Scheidungen. Leider gibt es dazu keine genauen Daten bei der Statistik Austria, da diese Felder zwar angeboten werden, ich jedoch nicht heraus finden konnte, wie es möglich sein sollte, diese herunterzuladen.

Daher blieb nur ein kurzer Blick ins Internet – angeblich soll eine einvernehmliche Scheidung in Österreich etwa 4-6 Monate dauern, eine Scheidung, die nicht einvernehmlich ist, kann ein Jahr oder länger dauern. Auch darum halte ich die Aussage, dass die Pandemiezeit den Zusammenhalt gefördert hat, für sehr fragwürdig, weil wir nicht wissen, wie viele Scheidungen derzeit „am Laufen“ sind oder 2022 abgewickelt wurden.

Fakt ist, es gibt weniger Scheidungen 2021 als es jemals zuvor waren seit 1985. Allerdings ist auch gut erkennbar, dass das ein genereller Trend seit etwa 2008 ist und hier sind die Zahlen des laufenden Jahres sicher interessant, weil 2020 und auch 2021 viele Behördengänge erschwert waren durch diverse Lockdowns und Beschränkungen.

Dass die folgende Tabelle ganz anders aussieht, hat wohl andere Gründe – denn eingetragene Partnerschaften gibt es noch nicht so lange:

Ein genauerer Blick auf die Scheidungen

Die Altersfrage

Unschwer ist bereits hier zu erkennen, dass das Durchschnittsalter der Männern bei den Scheidungen steigt.

Besser sehen wir das hier – waren 1985 noch mehr als zwei Drittel aller Männer bei Scheidungen unter 40 Jahre alt, so sind es jetzt schon fast 60%, die ÄLTER als 40 Jahre sind.

Insgesamt sind seit 1985 fast 50% der Männer bei Scheidungen unter 40 Jahre alt gewesen. Interessant finde ich, dass es auch zwei Scheidungen (2009 & 2018) bei Männern gab, die älter als 95 Jahre waren und 18 Mal war der Mann bei der Scheidung zwischen 90 und 94 Jahren, davon nur dreimal vor 2007!

Ähnlich sieht das Ganze bei den Frauen aus.

Hier waren 1985 noch fast drei Viertel aller geschiedenen Frauen bei der Scheidung unter 40 Jahren. 2021 sind es nur mehr etwa 40%.

Wenn wir die Altersverteilung aller Frauen bei der Scheidung seit 1985 anschauen, gibt es KEINE, die schon älter als 95 Jahre war. Dafür gibt es deutlich mehr Frauen unter 20 Jahren, die sich scheiden ließen als Männer in dem Alter. Fast 59% der Frauen waren unter 40 bei ihrer Scheidung und erst nach 2014 gab es die ersten (3) Scheidungen, bei denen die Frau älter als 90 Jahre war.

Der Altersunterschied zwischen den Partnern bei der Scheidung betrug bei etwa einem Drittel der Scheidungen unter 2 Jahren und bei etwa 10% aller Scheidungen mindestens 10 Jahre.

Dauer der Ehe

Wenn wir darauf achten, wie viele Jahre die Paare vor der Scheidung in der Ehe verbracht haben, sehen wir, dass es nur ganz wenig gibt, die sich im ersten Jahr bereits wieder scheiden lassen. 1985 war ein Drittel aller Geschiedenen bei der Scheidung zwischen 1 und 5 Jahren zusammen, ein weiteres Viertel 5 bis 10 Jahre. 2021 sind sind das weniger, vor allem in den ersten 5 Jahren gibt es weniger Scheidungen, dafür steigt der Anteil der Scheidungen von Menschen, die bereits über 20 Jahre verheratet waren und sich dann scheiden lassen von etwa 12% (1985) auf fast 25% im Jahr 2021.

Anzahl der Ehen

Interessant finde ich diese Grafik:

Erstens bin ich beruhigt, dass es in 36 Jahren keine einzige Scheidung gab, bei der ein Mann (oben) oder eine Frau (unten) noch gar keine Ehe hatte zum Zeitpunkt der Scheidung. 🙂
Und zweitens sehen wir, dass fast 20% der Geschiedenen bereits mindestens zweimal verheiratet waren bei der Scheidung.

Bei den Frauen und Männern ist dieser Trend jedoch seit 2006 rückläufig und der Anteil der „Erstgeschiedenen“ steigt wieder.

Acht Frauen und vier Männer zählen entweder zu den unverbesserlichsten Optmisten oder zu Heiratsschwindlern, denn sie haben es geschafft, vor der letzten Scheidung bereits mindestens 10 Ehen hinter sich gebracht zu haben…

Staatsangehörigkeit der Partner

Wir sehen auf einen Blick: Der Anteil der Scheidungen, bei denen zumindest ein Partner nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, ist gestiegen – trotz Rückläufiger Scheidungszahlen.

Waren es 1985 noch keine 5% aller Scheidungen, so stieg dieser Anteil bis 2021 auf 25% an.

Und wenn wir die Scheidungen, bei denen beide Partner österreichische Staatsbürger waren, weg lassen, sehen wir, dass es eindeutig mehr Scheidungen gab, bei denen der Mann eine ausländische Staatsbürgerschaft hatte, als solche, wo es die Frau war.

Allerdings hat sich das zuletzt geändert – da sind diese drei Gruppen ziemlich gleich groß und seit 2017 ist sogar der Anteil der Scheidungen, bei denen BEIDE Partner keine österreichische Staatsbürgerschaft haben, größer als der, wo dies nur für einen Teil zutrifft. Auffallend ist auch die Spitze bei den Scheidungen im Jahr 2007 – also etwa ein Jahr nach der großen Migrationswelle von 2005 und 2006 und drei Jahre (siehe weiter unten) nach dem „Peak“ bei den Eheschließungen.

Wenn wir dazu noch die Staatsangehörigkeit genauer anschauen, sehen wir, dass es bei den Männern (60-80%, oben) deutlich mehr Menschen aus Nicht-EU- oder EFTA-Staaten betraf als bei den Frauen (45-60%, unten).

Kinder

Zuletzt noch ein Blick auf die Kinder, die an Scheidungen beteiligt waren: etwa 30-40% aller Scheidungen betrafen Paare ohne Kinder – vor allem in den Jahren 2005 bis 2008 waren es sogar über 40%.
Nur bei 30% bis 40% (Tendenz steigend) waren mindestens 2 Kinder vorhanden und die Zahl der Scheidungen, bei der mindestens 3 Kinder betroffen waren, bleibt konstant auf etwa 10%.

Wenn Kinder vorhanden sind, ist das Alter des jüngsten Kindes ebenfalls erfasst. Kinder unter 3 Jahren waren bei Scheidungen mit Kindern im Jahr 1985 noch mit 20% betroffen, dieser Wert ist derzeit auf unter 10% gesunken. Gleichzeitig stieg der Anteil der Scheidungen, bei denen das jüngste Kind mindestens 19 Jahre alt ist, von 10% auf 20% an.

Insgesamt waren seit 1985 bei Scheidungen mit Kindern in der Ehe fast 50% der jüngsten betroffenen Kinder zwischen 6 und 18 Jahren. Zirka ein Drittel war unter 6 Jahren.

FAZIT Scheidungen

Ja, es gab sehr wenige Scheidungen 2021. Ob das jedoch die „verbindende Kraft der Pandemie“ war, bezweifle ich stark und warte hier gerne auf aussagekräftigere Zahlen von 2022 und dann auch 2023.

Eheschließungen

Etwas „unscharf“ finde ich folgende Formulierung:

Grundsätzlich stieg die Anzahl der Eheschließungen mit leichten Schwankungen bis 2019 an, ging 2020 wegen der Covid-19-Pandemie zurück und nahm 2021 wieder etwas zu.

https://www.vn.at/vorarlberg/2022/12/28/babyboom-im-zweiten-coronajahr.vn

So sehen hier nämlich die Zahlen seit 1970 aus. Zuerst eine Auffälligkeit, die uns hier durchgehend begleitet: Im Jahr 1987 lief die „Hochzeitsprämie“ (damals waren das 15.000 Schilling) aus, was dazu führte, dass sich damals viele Paare noch vor dem Jahreswechsel das Jawort gaben.
„Die Pandemie“ war es dann 2020 wohl weniger als vielmehr die begleitenden Maßnahmen, die zu einem starken Rückgang der Hochzeiten führten. So wurden etwa heiratswillige Paare im Frühjahr 2020 auf den Herbst vertröstet, wo sich dann im Laufe des Septembers die „erlaubte“ Gästeanzahl von zuerst 100 auf 10 reduzierte – was wohl zur einen oder anderen Absage von Hochzeiten geführt hat. Wenn also diese Zahl 2022 weiter angestiegen ist (Zahlen dazu gibt es noch keine), dann sind viele „nachgeholte“ Hochzeiten dabei von Menschen, die nach so einer Erfahrung auch dem Jahr 2021 nicht über den Weg trauten…

Wenn wir nun auch noch berücksichtigen, dass die Bevölkerung in Österreich zugenommen hat, sieht die Grafik so aus wie oben. Der „Anstieg“ der Zahlen ab 2015 ist nun deutlich geringer sichtbar.

Hier noch ein Vergleich beider Werte mit einer anderen Skala, wo sich noch besser zeigt, dass die Zahlen eigentlich seit 1987 zurück gehen. Wenn sie 2016 gestiegen sind, kann das durchaus mit geburtenstarken Jahrgängen zu tun haben, die ins „Heiratsalter“ kamen.

Alter

Wie alt waren denn die Partner bei der Hochzeit seit 1970? Zuerst sehen dir hier die Zahlen des „Partners 2“ – das sind fast zur Gänze die Frauen (erst seit 2010 gibt es einen sehr geringen Anteil an Eheschließungen, wo die Frau als „Partner 1“ eingetragen ist):

Wir sehen, dass das Alter der Frauen klar zunimmt bei den Hochzeiten – vor allem der Zahl der 15- bis 19-Jährigen, die heiraten, ist praktisch gegen Null gesunken, aber auch die 20- bis 24-Jährigen sind kaum mehr vertreten.

Das sind alle Eheschließungen seit 1970 in Sachen Alter der Frauen:

Jede 100.000 Frau war unter 15 Jahre alt, insgesamt waren das 15 Personen und alle heirateten vor 1986. Umgekehrt war jede 769.230igste Frau bei der Hochzeit schon mindestens 95 Jahre alt – das waren drei Frauen, jeweils eine 1985, 1986 und eine 2020. Etwas mehr als 41% aller Frauen waren bei der Hochzeit 15 bis 24 Jahre alt, 38,5% waren 25 bis 34 Jahre.

Bei den Männern ist das Bild ähnlich, allerdings gab es hier deutlich weniger 15- bis 19-Jährige und auch 20- bis 24-Jährige. Wie auch bei den Frauen ist das nur im Jahr 1987 anders, wo offensichtlich viele junge Paare sich die „Prämie“ geholt haben.

Bei den Männern gab es KEINE Hochzeiten unter 15 Jahren und auch nur jeder 50. Mann war bei seiner Hochzeit unter 20 Jahren (bei den Frauen waren das seit 1970 fünf Mal so viele!).
Etwa 53% waren unter 30 Jahren und 28,5% waren mindestens 35 Jahre alt. Jeder 125.000 Bräutigam seit 1970 war mindestens 95 Jahre alt (das waren zwei Männer, einer 2016 und einer 2011). Immerhin 8 Männer „trauten“ sich im Alter von 90 bis 94 Jahren, alle in den Jahren ab 2013, drei davon erst 2021.

Was den Altersunterschied zwischen den Partnern betrifft, sieht das Ganze so aus:

Etwa 15-20% (Tendenz steigend) sind gleich alt, weitere gut 10% weniger als zwei Jahre auseinander. Bei etwa 10% aller Eheschließungen ist der Altersunterschied mindestens 10 Jahre, das waren vor allem in der Zeit von 2000 bis 2012 schon deutlich mehr.
Im Jahr der auslaufenden Hochzeitsprämie gab es etwas mehr junge Paare als sonst, wenn wir das ganze auf alle Hochzeiten aufteilen. Generell nimmt der Anteil der Hochzeiten, bei denen der Altersunterschied mehr als 5 Jahre beträgt, seit 2004 ab.

Kinder

Relativ viele der Hochzeiten im „Prämienjahr 1987“ waren solche OHNE gemeinsame Kinder.

Generell waren 1984 etwa 80% aller Hochzeiten solche ohne gemeinsame Kinder, fast 20% solche mit einem Kind. Bis 2021 ist dieser Anteil ähnlich geblieben, allerdings ist der Anteil der „kinderlosen Eheschließungen“ auf 80% gesunken. Gestiegen sind vor allem die Anteile der Hochzeiten, wo es bereits zwei oder sogar mehr Kinder gibt.

Wenn wir das ALTER der Kinder anschauen, so sind das mehrheitlich Kinder unter 3 Jahren – mit sinkendem Anteil.

Das war auch im Pandemiejahr 2020 oder Prämienjahr 1987 nicht anders. Allerdings steigt der Anteil der Hochzeiten mit Kindern, die älter sind, stark an. So sind 2021 bei etwa 10% aller Hochzeiten gemeinsame Kinder bereits älter als 14 Jahre und mehr als 50% der Hochzeiten mit Kindern finden mit Kindern statt, die älter als 3 Jahre sind.

Staatsbürgerschaft

Die Hochzeitsprämie 1987 holten sich vor allem inländische Paare, könnten wir glauben.

Dem ist nicht so, denn anteilsmäßig waren es sogar weniger als im Jahr davor. Der Anteil der Hochzeiten mit beiden Brautleuten aus Österreich (Staatsbürgerschaft) sank von 95% im Jahr 1970 auf 70% im Jahr 2021.

In absoluten Zahlen stark zugenommen haben Hochzeiten mit mindestens einem Partner ohne österreichische Staatsbürgerschaft seit Ende der 80er-Jahre. Von 1995 bis 1998 gingen die Zahlen zurück, stiegen dann bis 2004 an – das war VOR der Migrationswelle! Erst 2015 gab es wieder einen sprunghaften Anstieg, dem 2020 ein starker Rückgang folgte.

Bei den Eheschließungen gab es seit 1970 mit Ausnahme von 1989 immer mehr Hochzeiten mit Männern mit österreichischer Staatsbürgerschaft und Frauen aus dem Ausland als umgekehrt. Sehr viele solche Ehen gab es rund um 2004 und dann wieder von 2015 bis 2019, wobei der Anstieg von 2014 auf 2015 extrem stark ist.

Ganz ähnlich sieht das ganze aus, wenn wir uns das Geburtsland der beiden Partner anschauen, wenn nicht beide in Österreich geboren sind:

Was hier auffällt ist, dass es deutlich mehr Paare gibt, bei denen beide Partner im Ausland geboren waren, als es Hochzeiten gibt, bei denen beide eine ausländische Staatsbürgerschaft haben. Die „Welle“ rund um 2004 ist hier deutlich schwächer, die von 2015 jedoch fast gleich stark.

Vorige Eheschließungen

Und wie sieht es mit „Vor-Ehen“ aus, also wie viele Partner hatten bereits eine andere Ehe vor ihrer Hochzeit?

Bei den Männern gab es auf den ersten Blick eine sehr gleichmäßige Verteilung. Es fällt auf, dass wohl viele Männer 1987 ihre „erste Hochzeit“ hatten, um die Hochzeitsprämie noch zu bekommen.

Auch bei den Frauen sieht das ähnlich aus.

Relativ gesehen sehen wir das (1987) auch hier – der Anteil der ersten Eheschließungen ist hier deutlich höher bei den Männern. Bis 2004 gab es immer mehr Männer, die bereits eine oder mehrere Ehen vorher hatten, seither nimmt die Zahl wieder ab.

Bei den Frauen ist das fast gleich, allerdings war der Anteil derjenigen, die vor 1990 bereits einmal verheiratet waren bei ihrer Hochzeit, kleiner als bei den Männern. Aber auch hier nimmt dieser Anteil seit 2004 wieder ab.

Vier Frauen und drei Männer hatten bei ihren Hochzeiten bereits 10 oder mehr Eheschließungen – gelten demnach wohl als „Profis“ bei Hochzeiten. Weitere 11 Frauen und 4 Männer waren bereits 9 Mal verheiratet vorher.

Fazit Eheschließungen

Für die, die nur das Fazit lesen: Bei den Scheidungen und den Geburten gibt es ein eigenes Fazit ;).

Nur in 7 Jahren gab es seit 1970 weniger Eheschließungen pro 100.000 EW als im Jahr 2020. Dass danach 2021 als ein Jahr kommen „muss“, in dem diese Zahl wieder steigt, war klar. Ich erwarte, dass diese Zahl – auch aus Nachholbedarf – 2022 weiter steigen wird nach den Lockdowns und Veranstaltungsbeschränkungen von 2020.

GESAMT heißt das für mich dann:
Geburtenboom? NEIN
Scheidungsrückgang? JA (die Frage ist nur warum und wie es 2022 aussieht)
Eheschließungsanstieg? Na ja, wohl eher ein Nachholen von 2020.

Sind wir also gespannt, was die Zahlen für 2022 sagen werden!