Von hinten aufgezäumt…

Immer wieder fragen mich Menschen, ob ich nicht irgendwie darstellen kann, wie oft es bei uns zu Starkniederschlägen kommt. Es gibt dazu auch schon einige Beiträge, in denen ich mich dem Thema gewidmet habe, wie diese hier: 1 oder 2 oder 3 oder auch 4.

Ein Problem bei der Datenbank der „geosphere austria“, die ich verwende, ist, dass sie auf Tagesmeldungen aufgebaut ist. Es gibt zwar auch eine zweite, in der stündlich Daten gesammelt werden, die reichen aber noch nicht weit zurück und sind durch die extreme Datenmenge auch weniger leicht zu durchforsten.

Heute hatte ich – auch weil ich mir die Datenbank zu den Wasserständen in/aus Österreich angeschaut habe zuletzt – eine andere Idee: Immer, wenn es zu Starkniederschlägen kommt – egal ob es sehr große Regenmassen in kürzester Zeit oder auch tagelange starke Regenfälle sind – führt das auch zu einem starken Anstieg der Pegelstände der Flüsse und vor allem auch der Wassermengen, die über die verschiedenen Gewässer abgeführt werden. Daher habe ich mir die Durchflussmengen der Flüsse in Österreich genauer angeschaut und bin dabei bei sehr vielen Flüssen auf Daten bis ins Jahr 1951 zurück gestoßen.

Ich habe aus jedem Bundesland (außer Wien) zumindest einen Fluss herausgesucht und stelle diese Daten hier gerne vor, beginnend mit dem kleinsten bis hin zum größten Fluss meiner Auswahl:

Die Pinka ist ein Fluss/Bach im Burgenland und fließt kurz nach Woppersdorf zuerst an der Grenze zu Ungarn und dann nach Ungarn. Die höchste dort je gemessene Wassermenge stammt aus dem Jahr 1999 – damals flossen pro Sekunde 54 m3 Wasser die Pinka hinab. Das bedeutet, dass mit dieser Wassermenge ein 50m-Sportbecken in einem Schwimmbad in gut 46 Sekunden gefüllt wäre.
Der zweithöchste Wert stammt aus einem wahren „Hochwasserjahr“ an der Pinka: Im Jahr 1965 gab es gleich drei Mal mindestens 40 m3 Wasser in der Sekunden innerhalb von nicht einmal 4 Monaten. Am dritthöchsten war die Durchflussmenge im Jahr 2009 mit 48m3. Wenn wir alle Höchststände betrachten, fällt zudem auf, dass sie von Februar bis November reichen, also fast über das ganze Jahr verteilt sind.

Für mich sehr interessant ist die Litz bei Schruns, nicht nur, weil sie quasi nur einige Steinwürfe von dort, wo ich aufgewachsen bin in die Ill mündet in Vorarlberg, sondern auch, weil ich weiß, dass ihr kein Wasser „abgezwackt“ wird – es gibt zwar ein Kraftwerk an ihrem Lauf, das Wasser wird dort aber nicht gestaut oder irgendwo in ein Becken geleitet. Mir war auch klar, dass der 22. August 2005 in den Daten auftauchen musste als absoluter Rekord, weil ich an diesem Tag des Jahrhunderthochwassers in Vorarlberg selbst mit eigenen Augen gesehen habe, was für Wassermassen damals in die Ill flossen. 94 Kubikmeter in der Sekunde füllen ein 2 Meter tiefes und 25m breites 50m-Schwimmbecken bereits in knapp 27 Sekunden vollständig auf!

Umso überraschter war ich, als ich entdeckt habe, dass es bereits im Zeitraum von 1959 bis heute noch einen ZWEITEN Tag gegeben hat, an dem gleich viel Wasser aus dem Silbertal in die Ill gelangt ist: Am Sommerbeginn 1965 war die Höchstdurchflussmenge exakt dieselbe wie im August 2005. Alle anderen „Top 6-Tage“ stammen aus den Jahren 1966 bis 1987 und auch hier gab es Jahre wie etwa 1970, wo es zweimal Monate mit sehr hohen Maximalwerten gab (erfasst wird immer nur der Tag mit dem höchsten Wert in diesen Grafiken, das heißt, es kann sein, dass es auch mehrere Tage in einem Monat gab mit sehr viel Wasser, was hier aber nicht gezeigt wird).

Die nächste Grafik ist in zweierlei Hinsicht verwirrend: Erstens heißt es da zwar „Lech“, aber damit ist nicht der Ort Lech in Vorarlberg gemeint, sondern der gleichnamige Fluss etwas später im Tiroler Lechtal bei Steeg. Und zweitens reichen die Daten hier bis 1921 zurück, bis 1951 gibt es allerdings immer nur den Jahreshöchstwert bei der Durchflussmenge, daher ist die Grafik zuerst anders als nach 1951, wo es für jeden Monat einen Höchstwert gibt. Mit 361 Kubikmetern pro Sekunde stammt der Höchstwert in Steeg vom gleichen Tag wie der von der Litz in Schruns. Diese Menge reicht aus, um ein großes 50m-Becken in knapp 7 Sekunden zu füllen!
Dieser Rekordwert wurde in den letzten 125 Jahren nie auch nur annähernd wieder erreicht – auf Platz zwei liegt mit 199 Kubikmetern pro Sekunde der 12. August 2002 – damals floss also etwas mehr als die Hälfte der Menge von 2005 den Lech hinab! Platz 3 und 4 stammen dann aus den Jahren 1941 und 1922. Am Lech waren alle in der Grafik markierten starken Hochwassertage in den Monaten Juni, Juli, August oder (einmal) im Oktober.

Die Mur in der Steiermark zählt auch zu Österreichs größeren Flüssen und ihr Höchstwert in Sachen Durchflussmenge aus dem Jahr 1954 ist mit 400 Kubikmetern pro Sekunde etwas größer als die des Lech aus dem Jahr 2005. Nur etwas weniger Wasser floss im Jahr 1973 bei Leibnitz die Mur hinab und auch im September 2014 waren die Wassermassen nicht erheblich geringer. Interessant ist auch das Jahr 1972, wo es innerhalb von drei Monaten gleich zweimal starke Hochwasser gab.

Dass eine Thaya im Norden Österreichs an ihrem „Rekordtag“ mehr Wasser transportiert als die Mur in der Steiermark, hätte ich mir nicht gedacht. Es ist aber so: 536 Kubikmeter pro Sekunde füllen unser 50m-Schwimmbecken schon in gut 4,5 Sekunden. Noch dramatischer muss das Jahr 2006 darum gewesen sein, weil es genau 3 Monate vor diesem Höchstwert Ende Juni auch den zweithöchsten Wert an der Thaya seit 1959 im gleichen Jahr gab! Und nur vier Jahre davor gab es den Monat mit dem dritthöchsten Tagesmaximum – im August 2002 waren es 298 Kubimeter pro Sekunde. Neben diesen drei Werten sehen alle anderen Höchstwerte, die allesamt unter 200 m3/sec liegen, regelrecht mickrig aus.

Wieder folgt eine Überraschung: Die Kamp bei Stiefern hat einen EXTREMEN Ausreißer ähnlich der Thaya etwas weiter im Norden. Es ist aber nicht dasselbe Jahr (2006), sondern das Jahr 2002, in dem es einige Tage später im August auch an der Thaya zu einen Hochwasser kam. Neben den 822 Kubikmetern pro Sekunde (3 Sekunden fürs Becken) wirken die anderen Höchstwerte aus den Jahren 1951 und 1959 lächerlich niedrig – obwohl auch diese drei (1959 ist gleich zweimal vertreten) fast doppelt so hoch sind wie alle übrigen Hochwasserstände!

Der erste Fluss mit mehr als 1.000 Kubikmeter pro Sekunde beim Höchstwert, den ich aufgelistet habe, ist die Drau bei Sachsenburg – das ist noch im Oberlauf der Drau vor dem Zusammenfluss mit der Gail oder anderen großen Nebenflüssen (weiter „unten“ gibt es keine Stationen mit Werten bis 1951).

1965 und 1966 muss „Katastrophenjahre“ gewesen sein an der Drau – damals gab es hier im August den zweithöchsten Wert nach 1965 und im November folgte dann noch der dritthöchste Wert, der allerdings deutlich weniger hoch ist. Nur 1972, 1991 und 2018 gab es weitere recht hohe Durchflussmengen, die nahe an den November 2006 heranreichten.
Um das Schwimmbecken nicht zu vergessen: Hier reichten schon 2,5 Sekunden, um Schwimmern für einen Wettbewerb ein 50m-Becken zu füllen!

An der Salzach in Golling gab es gleich mehrere Tage mit ähnlich hohen Durchflussmengen seit 1951 – die Salzach führte dabei jeweils genug Wasser, um ein 50-m-Becken in 2 Sekunden ganz füllen zu können! Der Höchstwert stammt aus dem Jahr 1959, gefolgt von 2002 (beide Mal im August) und dem Jahr 2013 (im Juni). Auch in den jahren 1985, 2005 und 2021 führte die Salzach sehr viel Wasser – wobei im Jahr 2005 der Höchststand nicht aus dem August stammt wie im äußersten Westen, sondern bereits Mitte Juli sehr viel Wasser Richtung Salzburg und Passau floss.

Die Top 3 in Sachen Wassermassen

Jetzt fehlen noch die „drei großen“ Flüsse Österreichs: Das sind nun alles Flüsse, in denen ein 50-Meter-Becken in einer Sekunde oder weniger gefüllt werden konnte bei den Höchstständen. Interessant ist nun auch, zu beobachten, ob die Höchststände diverser Zubringerflüsse von weiter oben auch hier nachvollzogen werden können. Das würde dann auf großräumigere Ereignisse schließen lassen.

Fast 2.500 Kubikmeter Wasser pro Sekunde flossen am 23. August 2005 – also einen Tag nach dem Höchststand in Litz, Ill oder Lech weiter im Westen – bei Kufstein im Inn aus Österreich Richtung Deutschland und Donau. Nur ein zweiter Monat seit 1951 hat ebenfalls mehr als 2.000 m3/sec aufgelistet: Der August genau 40 Jahre davor im Jahr 1985. Im Jahr 1987 gab es innerhalb von etwas mehr als einem Monat gleich zweimal sehr hohe Durchflussmengen, die anderen Jahre mit viel Wasser waren 1965, 1975, 1991 und 2019.

Nicht wirklich auffällig ist das Jahr 1990, als sich im Juli die Autobahnbrücke bei Kufstein senkte, ohne dabei ganz einzustürzen.

Bereits vor dem Bodensee ist der Alpenrhein einen Tick „größer“ als der Inn, wenn er das österreichische Bundesgebiet verlässt. Was ich interessant finde, ist, dass der Rhein zwar auch wie der Inn am 23. August 2005 sehr viel Wasser führte, es aber alleine in der Zeit seit 1951 zwei andere Monate gab, in denen die Durchflussmenge noch höher war: Im Jahr 1954 gab es exakt 2.600 Kubikmeter in der Sekunde am 22. August und im Juli 1987 waren es sogar exakt 2.800 m3/sec!
Interessant ist in dem Zusammenhang, dass zwar 1987 in Sachen Wasserpegel im Bodensee zu den Top-Ten-Jahren seit 1911 gehört und auch 1954 unter den Top 20 zu finden ist, das Jahr 2005 allerdings eines mit sehr niedrigem Wasserstand war, wo nicht einmal diese enormen Wassermengen ausreichten, um den See etwas mehr zu füllen.

Weitere Jahre mit hohen Durchflussmengen im Rhein bei Lustenau waren 2016, 2002 und 1955.

Selbst der Rhein macht sich neben Österreichs größtem Fluss, der Donau, nur wie ein „Bach“ aus. Im Jahr 2013 flossen bei Hainburg kurz vor der Grenze fast 11.000 Kubikmeter Wasser in der Sekunde die Donau hinunter. Das sind in einer Sekunde fast 4,5 große 50-Meter-Becken voll Wasser! Nur ein zweites Mal, im Jahr 2002 waren es ebenfalls mehr als 10.000 m3/sec an der Donau in Hainburg, die Österreich Richtung Ungarn verließen.
Interessant finde ich, dass der Juni 2013 weder beim Lech noch beim Inn wirklich auffällig waren, nur die Salzach führte recht viel Wasser damals. Der August 2002 war hingegen sowohl in der Kamp als auch beim Lech und in der Salzach durch Hochwasser gekennzeichnet – allerdings nicht beim Inn in Kufstein. Und auch beim dritthöchsten Stand in Hainburg waren die österreichischen Zubringer der Donau, die ich analysiert habe, nicht wirklich am Höchststand beteiligt.

Wer nun erwartet, dass das Hochwasser vom letzten Jahr in Hainburg einen neuen Rekordwert ergeben haben könnte: Ich habe dafür extra – weil ja die Daten bei ehyd.gv.at mit Ende 2022 enden – beim Land NÖ nachgesehen:


Mit knapp über 9.000 Kubimetern pro Sekunde in Hainburg lag es noch hinter dem Hochwasser vom August 1991 auf Platz 4 seit dem Jahr 1977 – den weiter zurück reichen die Daten bei ehyd.gv.at für Hainburg nicht.

Fazit

Ich habe jetzt nach dem Verfassen des Artikels von Excel zu jedem der Flüsse – von der „kleinen“ Pinka im Burgenland bis zur riesigen Donau bei Hainburg – einen Trend in Sachen Höchst-Stände, wenn es um die Durchflussmengen geht – errechnen lassen: ALLE zeigen leicht abwärts. Mir ist klar, dass das nur die Monatshöchstwerte sind und Tages-Maxima noch aussagekräftiger wären. Dass jedoch kein einziger der Trends nach oben weist, lässt mich vermuten (siehe dazu auch meine anderen Beiträge, die ich ganz oben erwähnt habe), dass es vielleicht doch nicht so ist, wie es oft berichtet wird, dass nämlich die Starkniederschläge so stark zunehmen – ob es vielleicht doch eher die „Starkberichte“ sind oder die (bei der Berichterstattung nicht an den Index angepasste) Zunahme der Versicherungsleistungen und Entschädigungen, die für dieses Bild sorgen?

Was hier nicht vergessen werden darf: Kraftwerksbauten, Regulierungsbauten an Flüssen und die begrenzte Verfügbarkeit der Daten spielen hier auch eine Rolle! Wer sich zum Beispiel die Wasserstands-Rekorde der Donau aus Passau ansieht, findet mit 1954 ein weiteres Rekordhochwasser, ganz zu schweigen von den Jahren 1060 und 1501, letzteres gilt in Passau als das Jahr mit dem höchsten gemessenen Wasserstand aller Zeiten. Schade daher, dass es in Hainburg keine Daten bis 1951 gibt wie sonst vielerorts in Österreich! Und bevor jemand nachfragen muss: Es gibt an der ganzen Donau in Österreich keine einzige Mess-Stelle, die Daten aus dem Jahr 1954 hat zur Durchflussmenge… ein Schelm, wer … 😉