Die Pandemie und der Tod – Teil 3

Vorbemerkung

Die Datenquellen, die ich für diese Zahlen verwendet habe, sind Zahlen der Statistik Austria und der AGES.

Heute geht es um die Sterblichkeit, respektive die Über- oder Untersterblichkeit. Meldungen wie diese hier haben mich dazu bewegt, mich genauer mit dem Thema auseinander zu setzen:
„”Die höhere Sterblichkeit im Jahr 2020 geht zweifellos auf die Corona-Pandemie zurück: Im Vorjahr starben in Österreich 7.131 Menschen mehr als 2019, 6.477 davon an COVID-19. Insgesamt ging jeder 14. Sterbefall des Jahres 2020 auf COVID-19 zurück. Zum Höhepunkt der zweiten Corona-Welle übertraf die COVID-Sterblichkeit sogar die Sterblichkeit aufgrund von Herz-Kreislauferkrankungen, die in den letzten Jahren mit Abstand für die meisten Sterbefälle verantwortlich waren”, sagt Statistik-Austria-Generaldirektor Tobias Thomas.“

Ich wollte wissen, ob ich das so nachvollziehen kann, wenn ich mir die Zahlen genauer anschaue. Dabei wollte ich mir einzelne Altersgruppen im Detail anschauen und auch den zeitlichen Verlauf über Jahr verteilt.

Die Altersgruppen musste ich so anlegen, dass sie mit denen der AGES in Sachen Corona-Sterbefälle übereinstimmen. Daher gibt es die Kleinkinder unter 5 Jahren, wo derzeit etwa 230.000 (♂) bzw. knapp 220.000 (♀) leben. In der bevölkerungsreichsten Altersgruppe, den Menschen von 45-54 Jahren, leben derzeit etwa 647.000 Männer und 654.000 Frauen in Österreich. Bei den Menschen ab 85 Jahren sind es fast 75.000 Männer und mehr als 150.000 Frauen. Damit ich alle Altersgruppen miteinander vergleichen kann, habe ich ÜBERALL die Sterblichkeit jeweils pro 100.000 EW berechnet – und das natürlich aufs jeweilige Jahr bezogen, damit ist automatisch die Veränderung der Altersstruktur und der einzelnen Gruppen berücksichtigt!

1. Ein pauschaler Blick

Wenn also die Statistik Austria letztes Jahr geschrieben hat, dass fast die gesamte Übersterblichkeit auf C19 zurück zu führen war – ist dem so?

Nun, auf den ersten Blick erscheint das plausibel – unter der Annahme, dass jeder Covid-Todesfall eine Person war, die ansonsten NICHT verstorben wäre. Erste Zweifel könnten da entstehen, wenn wir aus der Anfragebeantwortung des Gesundheitsministeriums an den Verfassungsgerichtshof davon lesen, dass das durchschnittliche Todesalter bei den C19-Todesfällen nahe an 80 Jahren lag.

Ich nehme hier einmal die Altersgruppe an 85 Jahren als Beispiel heran, um es zu verdeutlichen. Fast genau 42% aller Covid-Todesfälle stammen in Österreich laut aktuellen AGES Daten aus dieser Bevölkerungsgruppe.

25.546 Männer von 100.000 über 84 und 21.559 Frauen verstarben im Schnitt der Jahre 2015-2019, also der letzten 5 Jahre vor der Pandemie. 2020 waren es 28.978 (pro 100.000) Männer und 23.785 Frauen. Das heißt, dass fast 29% aller Männer und 23,8% aller Frauen ab 85 verstarben. 1.072 (♀) bzw. 581(♂) – wieder jeweils pro 100.000 Wurden als offiziell an oder mit Corona Verstorbene eingetragen – das sind etwa 6% der Todesfälle bei den Männern und 5% bei den Frauen.

2. In Vierteljahren betrachtet

Die Daten der Statistik Austria sind in Kalenderwochen aufgegliedert. Wir haben (außer in Schaltjahren wie 2020, dort muss ich dann eine Woche händisch herausrechnen, weil dieses Jahr 53 Wochen hat) 52 Kalenderwochen – das lässt sich gut durch 4 teilen – immer 13 Wochen bilden damit ein Quartal. Hier sehen wir also die Darstellung der Altersgruppe über 84 Jahren in 4 Grafiken: Je zwei Grafiken pro Geschlecht, einmal für das Jahr 2020 und einmal für das Jahr 2021.

Was fällt auf?

  1. Am meisten Todesfälle gibt es durchschnittlich (grauen Fläche) immer im ersten Quartal des Jahres. Etwa 7,5% aller Männer ab 85 und 6,4% aller Frauen versterben in den ersten 13 Wochen des Jahres. Am wenigsten Todesfälle gibt es in der Mitte des Jahres, wobei es im 3. Quartal noch etwas weniger sind als im zweiten.
  2. Grundsätzlich sehen wir das auch in den zwei Jahren während der Pandemie. Allerdings gab es immer im ersten Quartal unterdurchschnittlich viele Todesfälle, dafür jedoch im vierten Quartal eine DEUTLICHE Übersterblichkeit. Außerdem sehen wir im zweiten Quartal jeweils eine leichte Übersterblichkeit (außer 2021 bei den Frauen).
  3. Wenn wir die Todesfälle pro Quartal OHNE die Covid-Verstorbenen (gestrichelte Linie) anschauen, zeigt sich dasselbe Bild: Untersterblichkeit im ersten Quartal. Leichte Übersterblichkeit im zweiten. Im dritten liegt die Linie fast genau am Schnitt, bevor sie im vierten deutlich über dem Wert der 5 Jahre vor der Pandemie liegt.
  4. Während bei den Frauen 2020 etwa 68% der Übersterblichkeit im letzten Quartal (immer vorausgesetzt, ALLE Covid-Todesfälle waren Menschen, die sonst NICHT gestorben wären!) durch Corona erklärbar wäre, ist es 2021 maximal 59%. Im zweiten Quartal, während der Frühjahrswelle 1 waren es 2020 maximal 38% der knapp 300 Fälle – 2021 gab es praktisch keine Übersterblichkeit im Frühling in dieser Altersgruppe bei den Frauen.
    Bei den Männern waren es im Herbst 2020 maximal 64% und 2021 54%, im Frühling waren es 2020 33% und 2021 48%.

2. In Vier-Wochen-Gruppen betrachtet

Die Daten der Statistik Austria sind in Kalenderwochen aufgegliedert. Wir haben (außer in Schaltjahren wie 2020, dort muss ich dann eine Woche händisch herausrechnen, weil dieses Jahr 53 Wochen hat) 52 Kalenderwochen – das lässt sich nur noch gut durch 13 teilen – immer 4 Wochen bilden damit eine Gruppe- wir haben praktisch statt 12 Monaten 13 „Monde“. Hier sehen wir also die Darstellung der Altersgruppe über 84 Jahren in 4 Grafiken: Je zwei Grafiken pro Geschlecht, einmal für das Jahr 2020 und einmal für das Jahr 2021.

Was fällt auf?

  1. Natürlich zeigen die Grafiken grundsätzlich dasselbe wie die Quartalsdarstellungen, sie sind aber genauer aufgegliedert. An der Durchschnitts-Fläche ändert sich nicht wirklich etwas, außer dass die Bereiche genauer gegliedert sind und wir zB sehen, dass in der zweiten „Mond-Phase“ mehr Menschen sterben als in der ersten.  Am meisten Todesfälle gibt es bei den Männer ab 85 mit 2,42% in den Kalenderwochen 5-8, am wenigsten in den KW 25-28 mit 1,67%. Bei den Frauen sind es in den KW 5-8 2,04% und in den KW 21-24 nur 1,42%
  2. In den orange hinterlegten Felder sehen wir die „Übersterblichkeit“ dieser Altersgruppe: 2020 waren es 13,44% (♂) bzw. 10,33% (♀). Im Jahr darauf waren es bei den Männern 23% und bei den Frauen mit 5,42% deutlich weniger.
  3. Grundsätzlich sehen wir das auch in den zwei Jahren während der Pandemie. Allerdings sind jetzt die „Ausreißer-Phasen“ deutlicher zu erkennen: Einerseits im Jahr 2020 die KW 13-16 und dann die letzten 12 Wochen des Jahres. Im Jahr 2021 war es anders, da gab es zuerst in den ersten 4 Wochen noch das Absinken vom großen Anstieg Ende 2020, dann kam es bei den Männern wieder in den KW 13-16 zu einer leichten Übersterblichkeit. Bei den Frauen gab es diese NICHT, dafür stieg die Kurve in den Wochen 21-24 leicht über den Schnitt. Auch 2021 gab es in den letzten 12 Wochen mehr Todesfälle als üblich, allerdings sank die Kurve gegen Ende des Jahres extrem schnell wieder ab.
  4. Wenn wir die Todesfälle pro Quartal OHNE die Covid-Verstorbenen (gestrichelte Linie) anschauen, zeigt sich dasselbe Bild. Schauen wir uns doch einmal die Phase der Übersterblichkeit am Jahresende genauer an: 2020 waren bei den Frauen – mit steigender Tendenz zwischen 36% und 43% aller Verstorbenen Corona-Todesfälle. Bei den Männern waren es zuerst 26%, dann in den letzten 8 Wochen gleichbleibend ca. 41%.
    2021 waren es bei den Frauen zuerst 21%, dann 33% und zuletzt (als die Kurve DEUTLICH niedriger war) 60%. Bei den Männern waren es im gleichen Zeitraum zuerst 23%, dann 31% und am Schluss 99% – von „nur mehr“ 137 Fällen über dem Schnitt.
  5. Im Jahr 2020 passierten 87,5% aller C19-Todesfälle in den letzten 12 Wochen des Jahres. Wer sich nun anhand der Kurven etwas Ähnliches für 2021 erwartet wird überrascht sein: Dort waren es nur mehr 32% in Herbst/Frühwinter. Der Großteil ereignete sich nämlich in den ersten 20 Kalenderwochen (62%).

3. 2021 in Einzelwochen- betrachtet

Nehmen wir die letzten 13 Wochen des Jahres heraus, und schauen uns an, was sich da jeweils ereignet hat: Orange eingezeichnet ist hier der Unterschied zum 5-Jahres-Schnitt ab etwa Anfang Oktober. Die gestrichelte Linie zeigt uns parallel dazu den Anstieg der Corona-Todesfälle. Diese sind auch als Säulen in den einzelnen Wochen zu sehen – natürlich auch hier wieder pro 100.000 EW gerechnet!

Die Männer

Bei den Männern gab es für diesen Zeitraum eine Übersterblichkeit von 844 Fällen pro 100.000 Menschen. Im gleichen Zeitraum gab es 527 Todesfälle an und mit Covid. Das wären – wieder unter der Annahme, dass alle C19-Verstorbenen sonst noch leben würden – 62,4% aller über dem Schnitt liegenden Todesfälle bei den Männern.

Die Frauen

Bei den Frauen waren es 581 Todesfälle mehr als der Schnitt – sie starteten allerdings mit einem Minus von 412 im Oktober. Im gleichen Zeitraum gab es 314 Todesfälle an und mit Covid. Das wären – wieder unter der Annahme, dass alle C19-Verstorbenen sonst noch leben würden – 77,1% aller über dem Schnitt liegenden Todesfälle bei den Frauen.

Zur Verdeutlichung eine andere Altersgruppe

Zum Abschluss noch eine Grafik aus einer anderen – ebenfalls stark von Corona betroffenen – Altersgruppe – die Männer von 75-84 Jahren.

Wir sehen hier das gesamte Jahr – ähnlich dargestellt wie vorher. Ich habe allerdings quasi einen “Cut” gemacht. Die ersten 300 (pro 100.000) Covid-Todesfälle passierten in den ersten 20 Kalenderwochen. Interessanterweise lag die Kurve in Sachen Über- oder Untersterblichkeit zu der zeit aber UNTER dem 5-Jahres-Durchschnitt. Erst ab KW 34 beginnt sie langsam, ab KW 42 stark zu steigen. Wenn wir von KW 34 weg rechnen, dann gab es zuerst deutlich mehr C19-Verstorbene als es die Differenz zum Schnitt zeigt (Unterschied gestrichelte zu durchgezogene orange Linie). Und zum Höhepunkt der Delta-Welle übersteigt die Sterblichkeitskurve die der Corona-Todesfälle.
Wer nun jedoch nur das ganze Jahr betrachtet, der sieht nur, dass wir, wenn wir die C19-Verstorbenen (ca. 500 pro 100.000) von den überzähligen Todesfällen (ca. 175 pro 100.000) abziehen, eine Untersterblichkeit hätten.