Die helle Seite des Mondes

„The dark side of the moon“ war eine sehr bekannte Schallplatte der Band Pink Floyd. Ich habe heute die helle Seite der derzeitigen Erwärmung endeckt. Darauf gekommen bin ich wegen einer „Jubelmeldung“ des Landes Vorarlberg, in der es eigentlich darum geht, wie toll Vorarlberg da steht in Sachen Energieeffizienz, nachhaltiger Stromerzeugung und anderem. Bei einer Aufzählung kam auch vor, dass die „Heizgradtage“ seit 2005 um 22% angenommen haben. Wer genau wissen will, was das bedeutet, kann das hier nachlesen.
Dass ein Tag als „Heiztag“ zählt, wenn die Temperatur im Tagesmittel unter 15 Grad sinkt, wusste ich auch nicht. So war zum Beispiel der 8. Juli in Feldkirch mit weniger als 13 Grad Tagesmittel laut geosphere austria ein „Heiztag“ mit über 2 „Heizgraden“. Mir erschien interessanter, wie viele solche Heiztage es in Österreich seit Messbeginn gab. In dem Fall seit Beginn der Tagesmaxima und -minima, denn aus diesen errechnet die geospher austria das Tagesmittel.
Und weil ich dafür auch das Tagesmittel gebraucht habe, habe ich auch noch berechnet, wie hoch das Tagesmittel im Jahresdurchschnitt pro Jahr war.

Beginnen wir ausnahmsweise einmal mit Wien. Erstens, weil es die Stadt ist, in der mehr als ein Fünftel aller Einwohner Österreichs lebt und zweitens, weil es hier lückenlose Daten seit 1895 gibt:

Das kälteste Jahr in Wien war das Jahr 1940 – dazu kann ich gleich sagen, dass uns dieses Jahr (sofern vorhanden in den Daten) noch öfter begegnen wird. Damals betrug das Jahresmittel der Tagesmittel nur 7,6 Grad! Das wärmste Jahr war 2024 mit 13,6 °C – auch dieses Jahr werden wir sehr oft sehen in den Grafiken als wärmstes aller Jahre, wenn es um den Schnitt der Tagesmittel geht. Um ganze sechs Grad war es im Mittel wärmer im vergangenen Jahr als mitten im zweiten Weltkrieg! Im Zehnjahresschnitt (hellrote Linie) sehen wir, dass es heute etwa um 2 Grad wärmer ist als vor 120 Jahren.
Das Jahr, in dem am meisten geheizt werden musste, war in Wien das Jahr 1902, als es 271 Heiztage gab, an denen die Temperatur im Mittel nicht über 15 Grad anstieg. Am wenigsten Heiztage gab es im Jahr 2018 mit 188 solcher Tage. Auch das Jahr 2018 wird uns sehr oft begegnen – es muss offenbar vor allem in den kalten Monaten ein sehr mildes gewesen sein.

Auch von Innsbruck gibt es Daten bis 1895 zurück, allerdings fehlen einige (Kriegs-)Jahre. Das kälteste Jahr war auch hier 1940 – gleichauf mit 1956 (auch diesem Jahr werden wir noch öfter begegnen). Das wärmste war auch in Tirols Landeshauptstadt 2024, der Unterschied betrug hier aber „nur“ knapp 5 Jahre zum kältesten Jahr. Auch hier stieg die Temperatur im Mittel um gut 2 Grad an, wenn wir den Zehnjahresschnitt betrachten.
Am meisten Heiztage gab es in Innsbruck 1912 mit 284, am wenigsten 2018 mit 201.

Wer öfter bei mir mitliest, weiß, dass es auch in Kremsmünster bei Linz Daten bis weit zurück gibt. Wie in Wien ist die Reihe hier bis 1895 lückenlos vorhanden. Auch hier war 1940 das kälteste Jahr und 2024 das wärmste. Der Unterschied zwischen den beiden betrug 5,4 °C. Im Mittel ist auch hier die Temperatur um gut 2 Grad gestiegen.
Auch in OÖ musste im Jahr 2018 so wenig geheizt werden wie nie zuvor. Am meisten Heiztage gab es 1913 mit 290, das waren fast 100 mehr als 2018!

Auch der Salzburger Flughafen bietet Daten bis 1895 – mit Lücken in den Kriegsjahren. Wieder war 1940 das kälteste und 2024 das wärmste Jahr, der Unterschied liegt bei 5,3 Grad. Im 10-Jahres-Mittel ist die Temperatur um nicht ganz zwei Grad gestiegen in den letzten 120 Jahren.
Das heiz-intensivste Jahr war hier 1965 mit fast 300 Tagen, in denen das Mittel maximal bei 14,9 Grad lag. 2018 waren es „nur“ 215.

Wir kommen zu den Stationen, deren Daten nicht so weit zurück reichen. Ich habe die Jahre ohne Messdaten absichtlich in der Grafik belassen, damit alle sehen, dass es eben erst später Aufzeichnungen zu den höchsten und niedrigsten Tageswerten gab – aus denen wird das Tagesmittel bei uns berechnet.

In Zwettl war auch 1940 das mit Abstand kälteste Jahr und um 5,2 Grad kühler als 2024. Etwa 2,5 Grad wärmer ist es im Zehnjahresmittel heute im Vergleich zu vor 85 Jahren.
Und bei den Heiztagen war auch hier das Jahr 2018 das mit den wenigsten (242), am meisten gab es 1984 mit 318 – damals gab es in Zwettl nur 48 Tage, an denen das Tagesmittel über 15 Grad betrug!

Für Wörterberg haben wir keine Daten aus dem sonst meist kältesten Jahr 1940. Darum war hier 1956 das kälteste Jahr mit 4,2°C weniger als 2024.
Nur 200 Heiztage gab es 2018, im Jahr 1978 waren es 74 mehr.

Auch in Reichenau an der Rax haben wir keine Daten von 1940 – auch hier ist 1956 das kälteste eingetragene Jahr in den Daten – es war um 4,6 °C kälter als 2024.
Im Jahr 2018 gab es 218 Heiztage, 1978 waren es fast 300.

Rauris ist eine Ausnahme: Hier gibt es zwar Daten von 1940, allerdings war 1962 deutlich kälter laut den Daten. Nur 4,7 Grad hatte es hier im Mittel aller Tage des Jahres! Das sind 4,5 weniger als 2024.
Das Jahr mit den wenigsten Heiztagen ist hier ebenfalls ein anderes: 2022 waren es „nur“ 262 Tage unter 15 Grad, 1968 waren es 331, das heißt hier gab es im Bergtal nördlich des Großglockners nur 35 Tage mit einem Tagesmittel ab 15 Grad!

Noch weniger Tage ohne Heizbedarf gab es in Langen am Arlberg im Jahr 1955 – nur an 21 Tagen betrug das Tagesmittel 15 Grad oder mehr! Am wenigsten Heiztage waren es hier ex aequo im Jahr 2003 und 2022 mit 273.
Das kälteste Jahr war – in Ermangelung von Daten aus 1940 – das Jahr 1956, wo es genau 5 Grad kälter war als im wärmsten Jahr, das auch hier 2024 war.

In Lienz gibt es zwar einige Jahre vor 1950 nicht in den Daten, für 1940 sind solche vorhanden: Es war damals um 6,7 Grad kälter als im vergangenen Jahr – das ist der größte Unterschied aller von mir verwendeten Mess-Stationen! Hier haben wir wieder die wenigsten Heiztage im Jahr 2018 mit 221, die meisten gab es 1965 mit 294.

Wenn es Daten für 1940 gibt, dann ist es (außer in Rauris bisher) immer das kälteste in Österreich. In Freistadt war es damals um 5,1°C kälter als im Jahr 2024. 1978 gab es ganze 323 Tage mit Heizbedarf, im Jahr 2018 waren es nur 241.

Nichts Neues in Bruck an der Mur: 1940 war das kälteste Jahr – um 5,1°C kälter als 2024, 2018 das Jahr mit dem wenigsten Heizbedarf – um 80 Tage weniger als im Jahr 1941.

Bad Gleichenberg hat seltsame Datenlücken in den Jahren nach 1999. Trotzdem fehlen die zwei „wichtigen“ Jahre nicht: 1940 war auch hier das kälteste (-4,8°C zu 2024) und 2018 das mit den wenigsten Heiztagen (-77 zu 1978).

Wieder ein Ausnahmefall ist Bad Bleiberg, wo es im zweiten „kalten Jahr“, nämlich 1956, tatsächlich kälter war als im Jahr 1940. Der Unterschied zu 2024 ist 4,1 °C. Auch das Jahr mit den wenigsten Heiztagen ist ein anderes: Nicht 2018, sondern 2022 waren es mit 254 die wenigsten, am meisten waren es 1968.

Zum Abschluss kommt noch Feldkirch: Auch hier war 1940 das kälteste gemessene Jahr – allerdings war das wärmste hier 2023 und NICHT 2024 – es war um 5,2°C wärmer als 1940. Dafür „stimmt“ es bei den Heiztagen wieder mit der Mehrheit aller Stationen überein: 2018 gab es nur 204 davon, das sind 88 weniger als 1972.
Im 10-Jahres-Mittel wurde es in Feldkirch ebenfalls um etwa 2 Grad wärmer als vor 85 Jahren.

Die Ausnahme

Am Sonnblick kann ich zwar Daten bis 1895 ohne Mess-Lücken vorweisen, allerdings macht es keinen Sinn, hier von „Heiztagen“ zu sprechen – von denen gibt es seit Messbeginn immer genau so viele, wie es Tage im Jahr gibt.

Daher habe ich hier die Tage dargestellt, in denen es im Tagesmittel unter 0°C hatte (das sind nicht die Eistage, weil es zB tagsüber knapp über 0° haben kann und nachts der Wert weit unter 0° sein kann und an einem Eistag die Temperatur nie über 0°C steigen darf).
Im Jahr 1913 gab es 327 solcher Tage, 2022 waren es nur 232 – also fast 100 weniger.
Was das Mittel aller Tagesmittel im Jahr betrifft, so war 1909 das kälteste Jahr in über 3000 Metern Seehöhe – damals betrug das Jahresmittel nur -7,8 Grad! 2024 waren es -2,7 Grad, das sind 4,9 Grad mehr im Schnitt aller Tage. Das Zehnjahres-Mittel stieg in den letzten 120 Jahren um fast 3 Grad, wobei vor allem die letzten 20 Jahre sehr „warm“ waren – wenn wir in der Höhe bei den Temperaturen von „warm“ reden können.

Fazit

Wenn wir die Extremfälle in Sachen Heiztage in Österreich betrachten, dann gibt es Jahre, in denen wir in Österreich 100 Mal weniger heizen mussten als in den Jahren mit den meisten Heiztagen. Fast immer war das Jahr mit den wenigsten Heiztagen das Jahr 2018 – ganz selten auch 2022.
Was das Jahresmittel der Tagesmittel betrifft, so war wohl 1940 ein besonders kaltes Jahr und 2024 – mit einer einzigen Ausnahme (Feldkirch) – das wämste in der Messgeschichte, wenn es um das aus Tagesmaximum und Tagesminimum errechnete Tagesmittel geht bei der Temperatur. Im Zehn-Jahres-Schnitt ist es in Österreich heute um etwa 2 Grad wärmer als vor 120 und auch vor 85 Jahren.

Wenn wir den Klimawandel also „positiv“ sehen wollen, so ersparen wir uns heute in Zeiten sehr hoher Energiepreise viel Geld, weil wir weniger heizen müssen als noch vor etwa 40 Jahren, wo es oft einen Rekord an Heiztagen gegeben hat in Österreich.
Was ein Anstieg von 50 bis 100 „Heiztagen“ im Jahr heutzutage für die einzelnen Haushalts- oder auch Firmenbudgets ausmachen würde, darf sich jeder selbst ausmalen.