Zweidreiviertel Jahre

Bis zum 30. November 2022 hatte ich meine Datei zu den Jahresvergleichen bereits angelegt – ich musste nur noch die aktuellen Zahlen eingeben. Das habe ich heute gemacht – hier ein Rückblick auf zwei Jahre und 9 Monate Pandemiemodus in Österreich und Vorarlberg:

Die „neuen Positiven“

Österreichweit sehen die Zahlen (pro 100.000 EW) so aus, wenn wir die „Fälle“ pro Woche und 100.000 EW anschauen. Wir sehen, dass die „Herbstwelle 22“ fast gleich aussieht wie die Deltawelle letztes Jahr – nur ist sie um etwa zwei Monate früher dran gewesen.

Das sind die gleichen Kurven, nur für Vorarlberg. Im Ländle gab es offensichtlich in den beiden vorangegangenen Jahren um diese Zeit eine deutlich höhere Welle als in Gesamt-Österreich. 2022 ist dem NICHT so bis jetzt. Insgesamt (rechte Grafik) ist der Unterschied von Pandemijahr 3 zu Pandemiejahr 2 in Vorarlberg 3 Monate vor dem Ende des 3. Jahres nicht so groß wie in Österreich.

Testeritis

Bei der Anzahl der Tests pro 100.000 EW gibt es – trotz aktuellster Daten – immer wieder seltsame Ausbrüche nach oben und unten. Auch in der vorletzten Woche sorgten wieder Nachmeldungen aus Tirol für einen unnatürlichen „Peak“. Fakt ist, dass es bisher im dritten Pandemiejahr zwar schon deutlich mehr Tests als im ersten gab (fast 4 Mal so viele), aber VIEL weniger als im Jahr 2, wo es mehr als dreimal so viele waren in 12 Monaten im Vergleich zu den neun Monaten im Pandmiejahr 2.

In Vorarlberg sind es nach 9 Monaten im 3. Jahr etwa gleich viele wie im ersten Pandemiejahr (Zeitraum ist immer März bis Februar).

Wie viele der Tests waren positiv?

Was den Anteil an positiven Tests betrifft, sieht der Vergleich Ö versus V so aus:

In Österreich gab es laut offiziellen Zahlen im ersten Pandemiejahr zweimal mehr als 20% Positive unter allen Getesteten. Im zweiten Jahr mit den extrem hohen Testzahlen lag der Wert nie über 5% – das heißt mindestens 19 von 20 Tests waren negativ! Und hier sind die Schultests gar nicht inkludiert, die diesen Schnitt noch einmal massiv senken würden! Im dritten Jahr gab es dann wieder extreme Schwankungen – im Sommer war etwa jeder 10. Test positiv, im Frühherbst gab es sogar mehr als 15% positive Ergebnisse. Die kleine „Spitze“ von vor zwei Wochen führt hier gleich zu einem Einbruch der Positivenrate (weil es lauter nachgemeldete und offensichtlich meist negative Tests waren).

Ganz anders sehen die Zahlen für Vorarlberg aus: Dass sie höher sind als die österreichischen, zeigt nur, dass hier im laufenden Jahr weniger „sinnbefreites Massentesten“ angesagt war. Der Spitzenwert von mehr als 40% positiven mitten in der „Frühherbstwelle 22“ fällt auf. In Vorarlberg waren im Pandemiejahr drei nie weniger als 10% aller Tests positiv, das ist vollkommen konträr zu den Österreich-Zahlen.

Die Spitalszahlen

Normalbetten

Bitte nie vergessen (der aktuelle Wert steht auch in der Grafik), dass 2022 insgesamt laut „Covid-Register“ nicht einmal jeder zweite offiziell als „C19-Patient“ geführte Patient im Normalbett NICHT wegen Covid im Spital war!

Das relativiert die Zahlen in der Grafik gewaltig – denn eigentlich waren es bisher nicht wie rechts zu sehen bereits mehr Menschen pro 100.000 EW, die als „Covid-Fälle“ im Spital lagen, sondern deutlich weniger als im zweiten Pandemiejahr. Was auch zu sehen ist: In den letzten beiden Jahren hatten wir genau JETZT den jeweiligen Höchststand des Jahres erreicht – dem ist im dritten Pandemiejahr nicht so, im Gegenteil!

VOLLKOMMEN anders sind die Zahlen in Vorarlberg, wenn wir die Grafik rechts ansehen: Wir hatten hier bereits im Jahr zwei weniger PatientInnen als im ersten Jahr der Pandemie und im dritten Jahr ist die Zahl nicht einmal halb so hoch bisher.

IntensivpatientInnen

Bei den Intensivstationen sehen die österreichweiten Zahlen ähnlich gut aus wie die der Normalbetten in Vorarlberg. Zwar stiegen die Zahlen vom ersten aufs zweite Jahr an, im laufenden dritten Jahr liegen sie jedoch WEIT unter den Zahlen der Vorjahre. Und nur im Sommer waren sie kurz höher im Vergleich zu den Vorjahren.

In Vorarlberg gab es auch hier bereits im zweiten Jahr weniger PatientInnen als im ersten – und im dritten sind es wieder weniger und im Vergleich zu den Österreich-Zahlen etwa halb so viele pro 100.000 EW!
Auch die in anderen Teilen Österreichs sichtbare Omikronwelle ist nicht erkennbar im Ländle.

Die offiziellen C19-Todesfälle

10,4 Menschen pro 100.000 Ew verstarben am Höhepunkt der zweiten Welle im Herbst in Österreich in einer Woche. Das waren damals 0,0104% aller Menschen. Im zweiten Jahr zum Höhepunkt der Delta-Welle waren es fast genau halb so viele. Und seit der „Sommerwelle“, die durchaus mehr Todesfälle brachte als in den Vorjahren, sind es wieder deutlich weniger als in den anderen beiden Jahren.
Bis jetzt sind es jedes Jahr deutlich weniger geworden, die als offiziell mit oder an Covid Verstorbene gelten. Bis jetzt sind es nach 9 Monaten nicht einmal 50% der Todesfälle aus dem zweiten Pandemiejahr.

In Vorarlberg war der Höchstwert im ersten Pandemiejahr sogar höher als der von Österreich. Auch bei der Deltawelle gab es mehr Todesfälle als im gesamten Bundesgebiet. Im dritten Jahr liegen die Werte allerdings unter denen von Gesamt-Österreich – außer im Sommer.
Die Gesamtzahlen pro 100.000 liegen jedoch in Vorarlberg in allen drei Jahren unter den Werten von Österreich, im laufenden Jahr sogar etwa 50% darunter.

Hier gibt es auch noch einen Bundesländer-Vergleich der Zahlen:

Im ersten Jahr (blau) gab es vor allem in NÖ und der Steiermark viele C19-Todesfälle. Im zweiten Jahr war wieder NÖ am stärksten „betroffen“. Und im dritten Jahr ist derzeit Wien das Bundesland mit den meisten offiziellen Corona-Todesfällen.
Vorarlberg war im ersten und dritten Jahr das Bundesland mit den wenigsten Todesopfern an oder mit Covid. Nur im zweiten Jahr lag Tirol noch vor uns. Im Vergleich zu den Bundesländern mit den meisten C19-Verstorbenen gab es in Vorarlberg (Jahr 1 & 3) und Tirol (Jahr 2) jeweils etwa halb so viele Verstorbene pro 100.000 EW!

FAZIT

Es ist Zeit, die Dashboards zu schließen. Wir brauchen auch keine neuen als Ersatz, egal, ob sie nun den Stromverbrauch anzeigen, die durchschnittliche Temperatur in den Haushalten oder andere Erkrankungen. Nicht einmal ein „Gipsbein-Dashboard“ für die Wintersaison ist hilfreich oder nötig für die Öffentlichkeit.
Schon gar nicht, so lange die Daten so unterschiedlich erhoben werden, dass zum Beispiel ein Bundesland einfach auch alle „Long-Covid“-Fälle im Spital zu den positiv Getesteten dazu zählt.
Vielleicht wäre es Zeit, im Hintergrund an einer qualitativ hochwertigeren, weil richtig erhobenen Erfassung der Daten zu arbeiten und diese bei Bedarf einmal im Jahr zu präsentieren, wie es etwa auch bei den Todesursachen der Fall ist?

Ich befürchte jedoch, dass nicht dazu übergegangen wird, dass Covid in Zukunft wie jede andere Krankheit auch behandelt wird (in jeder Hinsicht), sondern jede andere Krankheit wie Covid – schöne Aussichten?